Von Eierpunsch und falschen Geschenken
Uff, dachte das Fräulein Grete Meier, geschafft. Wieder mal. Das Fest der Liebe, also Weihnachten, ist vorbei. Völlig in Gedanken an die letzten Tage versunken, rührte die Grete in ihrem Lieschentee. Viel war nicht passiert, zumindest kaum etwas, was nicht auch in den letzten Jahren zum Weihnachtswahnsinn gehört hätte. Denn egal was auch Heiligabend tagsüber passiert, abends haben sich eh wieder alle lieb. Liegt wohl in der Natur der Menschen. Grete regt sich über so etwas wie mittlere Katastrophen schon lange nicht mehr auf. Irgendwie findet sie es sogar lustig, wenn sich Tante Heidi und Onkel Günther in die Haare kriegen, weil der Baum entweder zu groß geraten oder zu klein ist. Dieses Jahr war er zu groß. "Die Kugeln reichen nicht", tönte Tante Heidi. "Und überhaupt, ich habe zu wenig Kerzen!" Natürlich reichten die Kugeln und zu den Kerzen (solche modernen mit Batterie) gesellte sich kurzerhand eine alte Lichterkette. Die natürlich total verheddert war. Mit drei kaputten Birnchen. Also musste Onkel Günther nochmal los, Ersatz besorgen. Im Endeffekt erstrahlte, pünktlich zum abendlichen Essen, der Weihnachtsbaum dennoch im alljährlichen Glanz. So endete der Abend friedlich, so wie jedes Jahr. Die Grete blieb über Nacht und fuhr erst wieder nach einem ausgedehnten Frühstück nach Hause. Dort machte sie es sich auf der Couch bequem, mit Tante Heidis Makronen und selbstgemachtem Eierpunsch. Immerhin, Weihnachten haben die Sendeanstalten ja doch einiges an schönen alten Filmen zu bieten. Weihnachtsfilme mag die Grete nämlich sehr. Braucht sie sonst im Jahr keinerlei Herz-Schmerz-Gedöhne, an solchen Tagen passt es einfach. Abends hat sie dann noch eine ganze Stunde mit Lieschen telefoniert. Kein skype, denn Lieschen hat noch keinen Internetanschluss. "Wird wohl noch ein bisschen dauern Grete." Lieschen hat sich schon etwas eingelebt, was die Grete ungeheuer beruhigt hat.
Am zweiten
Weihnachtstag hat die Grete dann alles für den obligatorischen
Weihnachtskaffee vorbereitet. Hat sich in den letzten Jahren so ergeben,
dass sich die Hebers, Frau Korters, und nicht zu vergessen der Herr
Heinevetter bei der Grete nachmittags zum Punsch trinken treffen. Es
wird gewichtelt und alle haben Spaß. Dieses Jahr war es besonders
lustig, weil Luis alle auf Trab hielt. Herr Heinevetter hat ihm nämlich
eine kleine Trommel gekauft, die er ausgiebig bearbeitete.
Zufrieden
mit sich und der Welt dachte die Grete daran, wie glücklich die junge
Frau Heber ausgesehen hatte. Entgegen aller Unkenrufe und Befürchtungen
was die liebe Schwiegermutter anging, war der Heiligabend doch ein
voller Erfolg gewesen. "Stellen sie sich mal vor, Frau Meier, sogar in
den Arm genommen hat sie mich. Und meine Gänsekeulen haben ihr auch
geschmeckt. Und schauen sie nur, dieses hübsche Armband hat sie mir
geschenkt." Stolz hatte sie dabei ihre Hand der Grete entgegengestreckt,
an dem ein silbernes Arband mit kleinen Anhängern glänzte. Herr
Heinevetter hatte den Heiligabend bei seinem Neffen verbracht. "Ist
wirklich ein lieber Junge, Frau Meier. Und so einen netten Freund hat
der jetzt. Ganz verliebt sind die zwei." Später kam dann noch Herr Wenig
vorbei. Aber nur kurz, denn er musste wieder ins Krankenhaus zurück.
"Schade um den Punsch, liebe Frau Meier, aber Alkohol ist tabu wenn ich
arbeiten muss."
Nun, der Kinderpunsch, den die Grete extra für Luis gemacht hatte, schmeckte dann auch dem Herrn Wenig.
Der
Tag heute im Büro war auch sehr ruig verlaufen. alle waren immer noch
in dieser friedlichen Weihnachtsstimmung gewesen. Nur der Chef nicht.
Grete fragte aber nicht nach. Sie konnte sich schon denken, was los ist.
Ist nämlich jedes Jahr so. Im Grunde mag sie die Frau vom Chef. Ist
eine ganz nette, wie sie immer sagt. Scheinbar schafft der Chef es aber
nie, das richtige Geschenk für seine Frau auszusuchen. Ergo hängt jedes
Jahr der Haussegen schief. Geburtstag, Hochzeitstag, ja, da besorgt die
Grete das passende Geschenk. Aber Weihnachten? Nee, Chef, sagt sie immer
wenn er fragt, das machen sie mal schön selber. Weihnachtsgeschenke
muss man selber aussuchen und auch selber verpacken.. Da ist die Grete
eigen drin. Und wirklich, der Chef gibt sich immer alle Mühe. Doch was
er auch veranstaltet, das Fettnäpfchen ist nicht weit. "Echt jetzt, Frau
Seelig, letztes Jahr waren es die teuren Diätbücher und der
Weightwatcherskurs. Und obwohl sie wochenlang von nix anderem gesprochen
hat, als dass sie unbedingt abnehmen will, hat sie die Bücher aus dem
Fenster geschmissen. Muss man nicht verstehen, oder?" Heidi Seelig
allerdings verstand die Reaktion.
Egal,
dachte die Grete, stellte ihre leere Tasse in die Spüle und schnappte
sich den neuen Krimi ("Noah" von Sebastian Fitzek), den sie beim
Wichteln ergattert hatte.