Mittwoch, 29. Januar 2014

Gretes Senf am Mittwoch (29.01.14)

Gretes Senf am Mittwoch (29.01.14)

Ah, da isse also nu wieder solo, unsere Heidi Klum. Wurd ja auch Zeit, dass die mal wieder Schlagzeilen macht. Immerhin, BILD war so gnädig die Warums und Wiesos hinter dem + zu verstecken. Denn mehr als eine gut lesbare Zeile ist die Information nicht wert. Wer das anders sieht, kann ja von mir aus zahlen. Und mehr erfahren. Ich brauch das nicht. Mir reicht das so.
Schumis Gesundheitszustand kehrt auch so langsam wieder in die Schlagzeilen zurück. So hinter vorgehaltener Hand munkelt man bereits, dass die Ärzte ihn aus dem Koma holen wollen. Hoffen wir mal das Beste. Für ihn und seine Familie.
Ansonsten war nicht unbedingt viel los. Klitschko friert sich weiterhin fast völlig gewaltfrei den Arsch ab und immerhin, ich habe erfahren, dass er ziemlich schlecht ukrainisch spricht.  Aber egal, die Regierung ist zurückgetreten und das ist doch schon mal ein kleiner Anfang. Vielleicht sogar ein kleiner Schritt Richtung Demokratie. Kann man nur hoffen, dass der von den Medien prophezeite Bürgerkrieg ausbleibt. 
Ganz Deutschland ärgert sich über die Gelben Engel. Also über den ADAC. Ganz Deutschland? Nee, die Grete nicht. Wenn ich die nämlich gebraucht habe, die Pannenhelferlein, waren sie immer zur Stelle und haben das getan, wofür ich den Mitgliedsbeitrag bezahle, nämlich geholfen. Unbürokratisch, freundlich und vor allem fix. Und ganz sicher erging es ebenso tausenden anderen Autofahrern. Nur haben die das scheinbar vergessen. Es wimmelt überall von Lobbyisten, Betrug und Vorteilsnahme. Soll man auch gegen angehen, weil es nicht richtig ist. Doch wie heißt es so schön: Jedes Ding hat zwei Seiten. Auch der ADAC. Draufhauen ist eben einfacher als einmal für 5 Minuten nachzudenken.
So geht es auch der DB. Immer draufhauen. Ganz feste. Egal wohin. Trifft schon den richtigen. Klar, Verspätungen und ausgefallene Züge sind Mist. Großer Mist, wenn man betroffen ist. Und frierend bei Minus 13 Grad eine Stunde auf dem Berliner Hauptbahnhof auf einem Gleis herumsteht. Muss man dann aber das Personal im Zug, wenn er denn endlich abfahrbereit ist, anzicken? Zumal die superfreundlich waren und alle Fragen zu Anschlusszügen geduldig beantwortet haben. Und nicht nur das. Die Zugbegleiter haben sich ständig entschuldigt. Dabei können die doch überhaupts nichts dafür, dass der Zug einen technischen Defekt hatte. Kismet. Auch ein Auto hat mal eine Panne. Jeder Fahrgast bekam einen Stempel aufs Ticket, damit konnte man sich das Geld für eine Platzreservierung zurückholen. Und es gab Kaffee umsonst. So what? Was um Himmels Willen verpassen wir denn, außer eventuell den Anschlusszug?
Ok, dass der Zug dann in Wolfsburg endgültig den Geist aufgab, hat mich auch geärgert. Immerhin, laut Durchsage stand auf dem Gleis gegenüber schon ein Ersatzzug. Man musste nur noch wechseln. Wäre auch kein Problem gewesen, wenn die Technik nicht vollends versagt hätte. Sprich, keine Tür öffnete mehr automatisch. Man solle warten, bis ein Zugbegleiter sie von innen öffnet, lautete die deutliche und allgemein verständliche Durchsage. Da jeder weiß, wie lang so ein ICE meistens ist, sind ja wohl noch ein paar Minuten Wartezeit drin. Pustekuchen. Da schlagen wir doch lieber die Scheiben ein. Allen voran der Managertyp mit Handy am Ohr. Ehrlich Leute, ich dachte ich bin im falschen Film.
Das steht natürlich nicht auf Seite Eins. Ist noch nicht mal eine kurze Meldung hinter dem + wert. Ach ich vergaß, da steht ja schon uns Heidi.

Gruß vonner Grete




Dienstag, 28. Januar 2014

Was nicht sein kann, kann nicht sein ...

Was nicht sein kann, kann nicht sein ...

"Sag mal, muss ich mir jetzt Sorgen machen?" Das Fräulein Grete Meier wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Einerseits war die Geschichte ja auch zu komisch, anderseits gab sie ihr doch zu denken. Da sich Tante Heidi aber schier ausschüttete vor Lachen, entschied sich die Grete es ihr gleich zutun. Darüber nachdenken, ob es doch Anlass zur Sorge gab, konnte sie ja später immer noch. Immer noch lachend legte sie den Hörer auf. "Onkel Günther, nee was ist das manchmal für ein Trollo! Da hätte ich zu gern Mäuschen gespielt."
Grete goss sich einen Kaffee ein und machte es sich mit einer Zigarette auf ihrem Sessel bequem. Sie schleuderte ihre Pumps von sich, schnappte sich die Fernbedienung und zappte sich durch die Programme. Der Tag im Büro war ziemlich anstrengend gewesen und die Grete hatte dementsprechend zu nix Lust. Während die Kiste völlig sinnfrei vor sich hinflimmerte, schweiften ihre Gedanken ab. Und blieben, wie kann es auch anders sein, bei Onkel Günther hängen. "Ob mir das auch hätte passieren können?", dachte sie. "Wer weiß das schon, Grete, vielleicht nicht jetzt, aber wenn du mal in dem Alter bist ..."
Weiter kam sie nicht, denn Herr Heinevetter rief nach ihr. Grete raffte sich auf, sammelte die Schuhe ein, zog sie an und öffnete die Balkontür. "Is mir zu kalt heute, Herr Heinevetter, aber kommense doch rüber, ich hab frischen Kaffee."
Der ließ sich das natürlich nicht zweimal sagen. Fünf Minuten später saßen die zwei in Gretes Küche. Grete konnte nicht anders, sie musste die Geschichte loswerden.
"Ich sach ihnen, Herr Heinevetter, alte Leute und Technik. Da geht öfter was schief. Stellense sich mal vor, was Onkel Günther gestern passiert ist. Die zwei haben sich doch vor einiger Zeit ein neues Telefon angeschafft. Von Vodafone. Festnetz und Handy in einem. Mit Flatrate. Also, das Ding sieht aus wie ein Handy und ist mit zwei Nummern ausgestattet. Einmal mit der Festnetznummer und dann noch mit einer Handynummer. Ich hab ja nie verstanden, was das soll, zumal beide noch ein normales Handy besitzen. -"Grete", hat Onkel Günther gesagt, "Grete, davon verstehste nix. Das ist praktisch. Wenn mich jetzt jemand auf dem Festnetz anruft, bin ich immer erreichbar. Das funktioniert nämlich in einem Umkreis von 1000 Metern. Kann ich also problemlos mit in den Garten oder die Garage nehmen."- Naja, wenn man darüber nachdenkt, macht es dann doch Sinn. Beide hören ja nicht mehr so gut und die Freunde und Bekannten sind ja meist im selben Alter und bevorzugen einen Anruf über das Festnetz. Also, seitdem die das Telefon haben, schleppt Onkel Günther es immer mit sich rum. Sogar ins Bad nimmt er es mit. Gestern morgen ist er dann wie immer zu seiner täglichen Fahrradtour aufgebrochen. Weit ist er aber nicht gekommen. Nur bis unten an die Kreuzung. Und da hat er es dann gehört. Das Klingeln. Natürlich ist er abgestiegen und hat sein Handy aus der Satteltasche gezogen. Aber das klingelte nicht. Irgendwie kam ihm auch der Klingelton unbekannt vor. Vielleicht ne SMS hat er gedacht. Dann klingelt es doch anders. Aber das war es auch nicht. Mittlerweile hatte die Bimmelei auch aufgehört. Gerade als er wieder auf das Rad steigen wollte, fing es wieder an. Er also wieder runter vom Rad. Alle Taschen hat er abgeklopft. Ist zigmal um das Rad rumgelaufen und hat sogar die Reifen untersucht. Nix, das Klingeln hörte nicht auf. Plötzlich war dann wieder Stille. Später hat er dann Tante Heidi erzählt, dass zwei Frauen aus der Nachbarschaft an der Bushaltestelle standen  und sich wohl köstlich über sein Treiben amüsiert haben. Als das Bimmeln wieder ertönte, ist er völlig entnervt umgekehrt. Und wissense, lieber Herr Heinevetter, was des Rätsels Lösung war?"
Herr Heinvetter beugte sich gespannt über den Küchentisch. "Tante Heidi wollte zuhause telefonieren und hat den Apperat nicht gefunden. Alles hat sie abgesucht. Hat gedacht, dass Onkel Günther das Ding irgendwo im Haus liegengelassen hat. Schlau isse ja, die Tante Heidi. Als alle Suche ergebnislos war, hat sie von ihrem Handy aus die Festnetznummer gewählt. Hat es ewig Klingeln lassen. Immer wieder. In jeden Raum ist sie gegangen, sogar ins Gartenhaus. Irgendwo musste es ja sein, das blöde Ding. Auf dem Weg zur Garage ist ihr dann Onkel Günther klingelnderweise entgegengekommen. Er hatte das Telefon wohl im Bad in die Hosentasche gesteckt. Und dann vergessen rauszunehmen, bevor er zu seiner Tour aufgebrochen war. Nee, was hat sich meine Tante kaputtgelacht!"
"Und wieso hat er das Ding bei seiner Suche nicht gefunden?", japste Herr Heinevetter, nachdem er sich die Lachtränen aus dem Gesicht gewischt hatte.
"Na", meinte die Grete, "weil er wie immer ein Paket Tempos in die Hosentasche gestopft hatte. Und anstatt die Taschen mal auszuleeren, hat er nur von außen gefühlt. Ich kann mir das so richtig vorstellen. Links die Tempos, rechts das Taschenmesser, in der Innenseite der Jacke die Packung TicTac und die Brieftasche und in der Satteltasche Werkzeug und Handy. Und nix anderes. Was nicht sein kann, kann eben nicht sein!" Die Grete ahmte beim letzten Satz die Stimme von Onkel Günther perfekt nach. 
"Und jetzt mal ehrlich, Her Heinevetter, muss ich mir Sorgen machen, oder ist das normal?"




Freitag, 24. Januar 2014

Das Fräulein Grete Meier ist genervt



Das Fräulein Grete Meier ist genervt

Genug hat das Fräulein Grete Meier. Mehr als genug. Vom Dschungel, vom Lanz, vom Hollande und von allen Justin Biebers dieser Welt. Kurzum von allem was die letzten Tage durch die Medienwelt geistert. Und mehr schlecht als recht für Schlagzeilen sorgt.

Wenn das Fräulein Grete Meier die Schnauze voll hat, so richtig voll, dann muss sie sich Luft machen. Und das mache ich auch ab sofort, hat die Grete zu Marie gesagt. Einmal in der Woche schreibe ich alles auf, was mich so stört. Öffentlich. Damit auch ja jeder mitkriegt, über was ich mich so ärgere. Und sich mitärgern kann. Alleine ärgern ist nämlich doof. "Weißte Marie, da gibbet doch so Blogs. Da kann man alles schreiben. Auch wenn man sich über was aufregt. Und sowas mache ich. Wie ne Kolumne. Schreiben befreit nämlich die Seele, sagt das Lieschen immer. Und in sowas, Marie, da hat das Lieschen recht."

Marie war sogleich Feuer und Flamme. "Oh ma Gretee, was für ein niedliche Idee sie immer ´aben! Ich ärger mir mit sie mit. Über was sollen wir  `eute ärgern?"

Grete wusste gar nicht wo sie anfangen sollte. "Erst mal brauche ich einen Plan. Und einen Blog. Und dann sehen wir weiter."

Nach einigen Stunden am PC stand zumindest schon mal der Plan.  Und der Blog. Schreiben würde sie immer mittwochs. Denn da hat sie ja jetzt Zeit.  Ein Titel für die Kolumne fand sich auch rasch. "Gretes Senf am Mittwoch" – nicht sehr aufregend, aber es passt. Irgendwie. Findet die Grete.


Und dann können die was erleben. Diese Möchtegernschlagzeilenerzeuger. Hollande beim Papst. Persönliche Audienz. Ob in China ein Sack Reis umfällt oder ob der französische Fremdgeher eine Beichte ablegt – wen interessiert das schon. Damit kann er sich auch nicht reinwaschen. Überhaupt, soll er doch fremdgehen wann und wo und mit wem er will. Machen tausend andere auch. Und die rennen auch nicht gleich zum Papst. Fremdgehen ist nicht richtig. Aber das muss schließlich jeder selber wissen. Aber vielleicht ist er auch aus einem ganz anderen Grund da und die Medien verschweigen das. So eine "Ich armes Sünderlein bin fremdgegangen Beichte" liest sich auf der ersten Seite doch viel besser als "Hollande verteidigt beim Papst die Erleichterung von Abtreibungen in Frankreich". Kann man ja ins Kleingedruckte verlegen.

Da gehören eher die Ausschweifungen eines Justin Biber hin. Ins Kleingedruckte, auf die letzte Seite, unten links. Schriftgröße sieben. Und dann sind da noch all die fiesen und geschmacklosen Dschungelgeschichten. Wer was gegessen hat, wie oft gekotzt oder wer über wen abgekotzt hat, bis hin zu den unappetitlichen Beschreibungen über die Speisekarte der Dschungelbewohner. Möchte ich hier jetzt gar nicht wiederholen. Reicht doch, wenn mir das Brötchen im Hals steckengeblieben ist. So Sachen wie "Die Wagenknecht verzeiht Lanz" regen mich schon gar nicht mehr auf. Ist die jetzt der Papst?  Überlese ich einfach. Was gibt es denn da schon zu verzeihen. Der Lanz ist wie er ist. Und die Wagenknecht, die weiß doch genau wie der tickt. War ja schließlich nicht zum ersten Mal in der Sendung. Da sind die Börsennachrichten auf n-TV "Dax klatscht unter die 9400" weitaus interessanter. Ironie an - Hier hat sich jemand wirklich Gedanken macht, wie man aus einer trockenen Börsennachricht eine echte Schlagzeile macht – Ironie aus.

Klatscht unter die 9400 – die haben auch einen an der Klatsche. So, jetzt mach ich aber Schluss. Senf habe ich genug verteilt. Für heute.


Gruß vonner Grete



Donnerstag, 23. Januar 2014

Von einen Unfall und dem gewissen Blick

Von einen Unfall und dem gewissen Blick 

Mittwochskaffee. Ohne Lieschen. Nix für mich, dachte das Fräulein Grete Meier und schob den leeren Kuchenteller von sich. Aber immerhin, Lieschen, ich habe es probiert. Ehrlich, wärst du hier, du würdest mir beipflichten. Total langweilig isses nämlich so ganz alleine. Nicht mal Lust auf eine Zigarette hatte ich.
Grete winkte den Kellner heran, zahlte und machte sich auf den Heimweg. Im Auto drehte sie das Radio auf kaum noch erträgliche Lautstärke. Aber das brauchte sie jetzt einfach. Volle Dröhnung. "Keine Angst, Lieschen", brüllte sie gegen OneRepublic`s "Counting stars" an. "Echt jetzt nicht, ich lass mir für den Mittwoch schon was einfallen. Versauern gilt nicht!" 
Zehn Minuten später war das Radio zwar etwas leiser, dafür grölte die Grete lauthals bei "Next to me" von Emeli Sandé mit. Den Song noch im Ohr und ihn leise vor sich hin summend, schloss sie die Haustür auf. Im Flur kam ihr eine aufgeregte Marie in Jeans und Sweatshirt engegen. Ohne Klackerdiklack, denn die zierlichen Füße von Marie steckten in roten Turnschuhen. "Ma Gretee, ma Gretee, vite vite, sie müüßen `elfen!" Sie griff nach Gretes Hand und zog sie die Treppe hinauf in den zweiten Stock. Aus der offenen Wohnungstür der Hebers drang herzerweichendes Geheule von Luis, begleitet von der tröstenden Stimme von Frau Heber. Marie eilte voraus und öffnete die Küchentür. Eine seltsame Szenerie bot sich der Grete, als sie völlig außer Atem im Türrahmen stand. Herr Heber saß mit schmerzverzerrtem Gesicht auf der Eckbank, sein linkes Bein lag ausgestreckt auf dem Stuhl vor ihm. Luis hatte sich unter dem Tisch verkrochen und heulte in einem fort. Frau Heber war gerade dabei eine Salbe auf den nackten Fuß von ihrem Mann aufzutragen. Sie redete dabei in einem fort. Wobei sie ständig den Tonfall wechselte. "Luis, nicht weinen, dem Papa geht es gleich wieder gut - Halt doch mal still, so kann ich den Verband nicht anlegen - Luis, ist alles nicht so schlimm - Dass du aber auch immer so stur bist. Du musst ins Krankenhaus - Ich mach dir gleich einen Kakao, Luis - Das sieht doch ein Blinder, dass das nicht nur eine Verstauchung ist - ... Erst jetzt bemerkte sie die Grete. "Ach Gott sei Dank, Frau Meier. Mein Mann ist heute morgen auf einer Baustelle ausgerutscht. Der Fuß ist schon ganz lila, aber er will einfach nicht ins Krankenhaus. Männer!" 
Grete, die sich mittlerweile Luis geschnappt hat und beruhigend auf ihn einredete, fackelte nicht lange. Sie drückte Luis Marie in den Arm, schob beide auf die andere Seite der Eckbank, und betrachtete dann in aller Seelenruhe den geschwollenen, farbenfrohen Fuß von Herrn Heber. "Krankenhaus, aber sofort. Entweder gebrochen oder ein Bänderriss." Sie setzte sich und sah Herrn Heber abwartend an. Der verzog nur das Gesicht. "Keine zehn Pferde kriegen mich die Treppe runter. Ich bin froh, dass ich es bis in die Wohnung geschafft habe. Und dass mir es keiner wagt, deswegen einen Krankenwagen zu rufen." 
"So geht das schon seit Stunden, Frau Meier, ich seh ja, dass er Schmerzen hat und die Treppe ein Hindernis ist. Tragen können wir ihn ja schlecht. Ach, was machen wir nur, der Fuß sieht schlimm aus!" 
Der Meinung war die Grete auch. Herr Heber musste ins Krankenhaus. Zur Not mit einem Krankenwagen. Gretes Stirn legte sich in Falten. Vielleicht, dachte sie, vielleicht ... 

"Na, und dann Herr Heinevetter", erzählte sie zwei Stunden später auf dem Balkon, "dann hatte ich die rettende Idee. Ein bisschen Glück war aber doch dabei. Herr Wenig war nämlich in der Tat zuhause. Mit seiner Hilfe und mit Unterstützung einer Krücke, die ich noch von meiner Knieverletzung im Keller hatte, haben wir es dann geschafft den Herrn Heber die Treppe runter, in mein Auto und ins Krankenhaus zu bringen. Und was sag ich ihnen, Bänderriss! Von wegen - nur verstaucht!"
"Wie spannend. Da ist mal was los hier im Haus", nörgelte Herr Heinevetter, "und ich bin nicht da. Isser denn jetzt wieder zurück, der Herr Heber?" Grete musste schmunzeln. Typisch Herr Heinevetter, dachte sie. "Isser, lieber Herr Heinevetter. Mit Schiene. Schonen muss er sich. Bein hochlegen. Vier bis sechs Wochen hat der Arzt gesagt. Und spannend? Nee, das nicht. Spannend ist höchstens was anderes! Wie spannend, na das wird sich noch zeigen." Richtig geheimnisvoll hörte sich die Grete an. Herr Heinevetter beugte sich über das Mäuerchen. "Wassen los? Nu spannen se mich mal nich auf die Folter."
Machte die Grete aber, zu ihrem Vergnügen und zum Verdruss von Herrn Heinevetter. "Sie werden schon sehen, ich mach mir jetzt erstmal ein par Schnittchen. Hab ich mir verdient!" Noch ehe Herr Heinevetter darauf reagieren konnte, war die Grete in ihrem Wohnzimmer verschwunden. Verdutzt schaute Herr Heinevetter ihr nach. 
Grete indessen, lachte sich halbtot. "Mal sehen, was die nächsten Wochen so bringen", kicherte sie. Sie hatte ihn nämlich ganz genau gesehen. Den Blick. Diesen einen ganz bestimmten. An den sie sich noch ganz genau erinnern konnte.  Allerdings galt er dieses Mal nicht ihr. Und er kam auch nicht von Rolf. Aber von Herrn Wenig, als er Marie in der Küche sitzen sah, mit Luis auf dem Schoß.





Sonntag, 19. Januar 2014

Wie ein Hinterteil gute Laune versprüht

Wie ein Hinterteil gute Laune versprüht

Nee, war das witzig vorgestern beim Arzt gewesen, die Grete musste schon wieder lächeln, als sie daran dachte. Ihren Hausarzt kennt das Fräulein Grete Meier schon eine Ewigkeit. Als er vor fast dreissig Jahren, als junger frischgebackener Allgemeinmediziner, seine Praxis eröffnet hatte, gehörte die Grete zu seinen ersten Patienten. Mein Arzt altert mit mir, sagt sie immer. Oft muss die Grete ja nicht zu ihm. Da sie ja nun aber mal zu den Menschen gehört, die der Geißel Krebs ausgesetzt waren, ist ein jährlicher Besuch Pflicht. Auch wenn die Grete sich nicht krank fühlt. Und gestern war es wieder soweit.
Termin um neun. Die Grete war pünktlich. Und nüchtern. Das Wartezimmer voll. Grete kennt das alles, deswegen hat sie Zeit mitgebracht. Um halb zehn dann der Aufruf: Frau Meier, bitte in Raum 5.
Auch das kennt die Grete. Denn es bedeutet in keinster Weise, dass sie jetzt dran ist. Es heißt übersetzt lediglich, dass Raum 5 jetzt frei ist. Also wieder warten. Durch die offene Tür hörte die Grete, wie sich Dr. Winzer, fröhlich pfeifend, in den Raum neben dem ihrigen begab. Zehn Minuten später öffnete sich die Türe nebenan, Grete hörte Abschiedsworte und - einen singenden Dr. Winzer, der zur Anmeldung ging. Ehrlich, hätte die Grete nicht gewusst, dass Dr. Winzer glücklich verheiratet ist - dann hätte sie geschworen, dass er verliebt ist. Die Grete gluckste in sich hinein.
Grinsend und pfeifend wie ein Schulbub, tauchte Dr. Winzer dann endlich bei der geduldig wartenden Grete in Raum 5 auf. "Ultraschall, Frau Meier, kommense mal gleich mit mir mit in Raum 2" Ein Freund überflüssiger Worte war Dr. Winzer noch nie und so folgte die Grete brav. 
Während der Ultraschallknopf über Gretes Bauch flog, fragte Dr. Winzer die Grete nach ihrem Befinden und ob irgendwelche Beschwerden vorliegen. Das allerdings nicht ohne zwischen den Fragen immer zu Grinsen. Grete konnte sich ein "Na, sie haben aber gute Laune heute", nicht verkneifen. Dr. Winzer lachte, packte das Ultraschallgerät weg, und drehte sich zu Grete um. "Ach Frau Meier, trotz allem Elend, dem ich täglich ausgestzt bin, gibt es hin und wieder auch bei mir Patienten mit Geschichten, die einfach zum Lachen sind. Gerade hatte ich einen Patienten mit Brandverletzungen."
Brandverletzungen? Grete stutzte. Was soll denn daran bitte zum Lachen sein? Ist er jetzt ganz durchgedreht? Sie schaute Dr. Winzer verwundert an. 
"Naja, und da musste ich eben wieder an Sylvester denken." Und wieder gluckste und grinste Dr. Winzer. Grete kam nicht mehr mit. "An Sylvester hat nämlich ein junger Mann wegen einer Wette beschlossen, eine Rakete aus seinem Hintern heraus zu zünden. Und ich musste später die Brandverletzungen an selbigem behandeln." Jetzt lachte er laut.
Grete, die mittlerweile wieder angezogen auf der Liege saß, schlug sich lachend die Hände vor den Mund. "Is nich wahr, oder? Aus dem Hintern? Wie bescheuert ist das denn!"
"Tja, Alkohol macht eben aus dem einen oder anderen einen Narren, vernebelt das Gehirn, da setzt dann schon mal der Verstand komplett aus!"
"Ah, Herr Doktor, deshalb die gute Laune und der Gesang, das kann ich nachvollziehen." Dabei nickte die Grete zustimmend. "Nicht nur deswegen, Frau Meier, ich singe immer, wenn ich unter Schlafmangel leide. Hatte gestern Nacht drei Notfälle. Singen ist das beste Mittel um über den Tag zu kommen." 
Singen. Na, das wird sich die Grete ganz bestimmt merken. Zumal die Fröhlichkeit des Arztes, wenn auch nur aus der Not heraus geboren, auf die ganze Praxis übergesprungen war. Die Artzhelferinnen waren ungemein gut gelaunt und die Patienten, so schien es jedenfalls, ebenso.
Auf dem Weg in ihr Büro beschloss die Grete das auszuprobieren. Dem Eido, der ihr als Erster über den Weg lief, schmetterte sie ein fröhliches "Guten Morgääään" entgegen, kümmerte sich dann nicht weiter um ihn und lief trällernd den Flur entlang Richtung Vorzimmer. Dort schaltete sie sofort das Radio ein. WDR 2, wie immer.
Nicht so ganz wie immer. Eine Spur lauter und den ganzen Tag war nicht nur die Radiomusik aus ihrem Vorzimmer zu hören, sondern auch Gretes Gesang. Ihre gute Laune verbreitete sich wie ein Virus rasant in der Firma. Sogar die Heidi Seelig trug ein Lächeln auf ihren geschminkten Lippen. Fragte dieser oder jener mal nach dem Grund für Gretes Überschwang, grinste die nur und antwortete: Ich war beim Arzt.







Dienstag, 14. Januar 2014

Das Fräulein Grete Meier und ihr Unwort

Das Fräulein Grete Meier und ihr Unwort

Ja, auch das Fräulein Grete Meier hat es. Und sogar eines, das ganz allein ihr gehört. Das Unwort des Jahres. Allerdings ist es immer dasselbe. Jedes Jahr. Und es taucht immer zur gleichen Zeit auf. Nämlich in den ersten zwei Januarwochen. Immer dann, wenn das Thema Urlaubsplanung ansteht. Dafür ist die Grete nämlich im Büro verantwortlich. Der Chef zeichnet nur ab. "Frau Meier", sagt er stets, "Frau Meier, ich verlass mich da ganz auf sie. Hauptsache, die Abteilungen sind immer besetzt."
BRÜCKENTAGE - Ein Wort, dass der Grete schon Tage vorher schlaflose Nächte bereitet. Denn da will jeder irgendwie frei haben. Schon Anfang November taucht das Wort in diversen Zeitungen auf: "Wie nutzt man die Brückentage am besten" oder "Wie macht man aus dreissig Urlaubstagen durch Brückentage zweiundvierzig"
Ist ja alles schön und gut. Wertvolle Tipps. Aber in der Praxis kaum umzusetzen. Weil jeder sie haben will. Die zweiundvierzig Urlaubstage. So wie jeder an Ostern,  Karneval und zwischen Weihnachten und Neujahr frei haben möchte.
Und wie jedes Jahr, lagen schon die ersten Urlaubsanträge am zweiten Januar bei der Grete auf dem Schreibtisch. Wer zuerst kommt mahlt zuerst. Pustekuchen. Aber nicht bei der Grete. Die führt seit Jahren ganz genau Buch, wer - wann und wie oft - solche Brückentage in Anspruch genommen hat. Und obwohl jeder in der Firma darum weiß ... versuchen kann man es ja. Und wenn die Grete einen Antrag ablehnt, dann wird gebettelt und diskutiert was das Zeug hält. Als ob die Grete nicht schon genug damit zutun hätte alles zu koordinieren. Denn auch so ergeben sich manch Reibereien. Die heute vormittag sogar dazugeführt haben, dass Susi heulend vor der Grete stand.
"Wirklich, Frau Meier, es geht um mein Leben", schluchzte sie. "Ich muss über Ostern frei haben. Ich will doch mit Simon zusammen in den Urlaub fahren!" Die schwarze Wimpertusche kroch langsam ihre Wangen herab.
Ungerührt drückte ihr die Grete ein Taschentuch in die Hand. "Susi, das geht nicht. Du hast in den Herbstferien schon zwei Wochen frei. Der Simon auch. Dann müsst ihr eben in der Zeit zusammen wegfahren. Ihr seid beide noch in der Ausbildung. Könnt also nur wegen der Schule in den Ferien Urlaub nehmen. Und du hattest letztes Jahr über Ostern Urlaub. Dieses Jahr ist Kollege Wirtz dran, der hat letztes Jahr über die Ostertage gearbeitet. Und kann nicht tauschen, weil er geplant hat, zu seiner Silberhochzeit mit seiner Frau eine Schiffsreise auf der Aida zu machen. Ähnlich sieht es in der Werbeabteilung aus. Simon muss in den Osterferien Urlaub nehmen. In den Sommerferien kann er nämlich nur zwei Wochen frei machen, da sein Chef in die USA reist, auf ein Seminar. Und die Abteilung muss mindestens mit drei Leuten besetzt sein, damit der Betrieb einwandfrei läuft. Das weißt du doch!" 
Jetzt heulte Susi noch lauter. "Bitte, Frau Meier, wenn der Simon alleine fährt ... wer weiß was da alles passiert. Sonne, Strand, andere Frauen ... " Der Rest ging im Geheule unter.
Grete platzte der Kragen. "Mädchen, nun krieg dich mal wieder ein. Wo ist denn dein Vertrauen? Wenn der Simon was mit einer anderen anfangen will, dann kann er das auch während der Mittagspause machen. Dafür braucht der keine Sonne und keinen Strand. Jetzt geh mal in den Waschraum und wisch dir die Tusche aus dem Gesicht. Wenn der Simon dich nämlich so sieht, dann ... !
Was dann ist, wollte die Susi wohl nicht mehr so genau wissen, denn sie drehte sich sofort um und verschwand in Richtung Waschraum. Nicht ohne noch "Sie sind ja so gemein" zu murmeln.Was die Grete geflissentlich ignorierte. Denn dass die Susi es damit nicht ernst meinte, dass weiß die Grete ganz genau.  





Donnerstag, 9. Januar 2014

Gretes Welt wird wieder bunt

Gretes Welt wird wieder bunt

Was für eine Aufregung war das gestern abend gewesen. Das Fräulein Grete Meier ist heute noch ganz konfus. Vor lauter Freude ist sie den ganzen Tag durch ihr Büro mehr getänzelt als gegangen. Was die Grete bei dem Klackerdiklack gestern abend aus der Wohnung über ihr bereits geahnt hatte, wurde von Herrn Heinevetter dann schnell bestätigt.
"Hamse schon gehört, Frau Meier, das Mädel ist wieder da. Seit zwei Stunden."  
Grete strahlte wie ein Honigkuchenpferd. "Ist ja nicht zu überhören, Herr Heinevetter, die Schuhe, wie immer eben. Haben sie schon mit ihr gesprochen?" Doch noch ehe Herr Heinevetter antworten konnte, ertönte Gretes Türklingel. Grete eilte sofort zur Tür und riss sie auf. 
Da stand sie. Die Marie. Das braune Haar flatterte um ihr zartes Gesicht und die Füße steckten in hochhackigen Pumps. Ehe sich die Grete versah, hing das quirlige kleine Ding auch schon an ihrem Hals. "Allo ma Gretee, iesch abe diesch so vermießt." Dabei bedeckte sie Gretes Wangen mit zig kleinen Küsschen. Ein weiterer Wortschwall ergoss sich über Grete. Die kam aus dem Lachen  nicht mehr heraus. "Ach Marie", japste sie schließlich. "Ich habe dich auch vermisst. Wie schön, dass du wieder zuhause bist. Nu komm aber erstmal rein. Ich koch schnell Kaffee und dann erzählst du mir, wie es dir ergangen ist bei den Amis." Dort war Marie nämlich die letzten sieben Monate gewesen. In den Staaten, genauer gesagt in New York, wo sie für einen großen französischen Modekonzern den Einkauf getätigt hatte.

"Und", fragte drei Stunden später der Herr Heinevetter, "wie lange bleibt sie diesmal?" Dabei sah er Grete lächelnd an. "Ich denke, lieber Herr Heinevetter, so habe ich es verstanden, für mindestens ein Jahr.  Hach, das bringt wieder Leben ins Haus!" Herr Heinevetter nickte zustimmend. "Ja, man hat schon gemerkt, dass etwas fehlt. Keine klappernden Absätze, keine französischen Schongsongs am morgen und vor allem ihr fröhliches Geplapper habe ich vermisst. Immer gute Laune hat das Mädel. Selten sowas." Ein paar Minuten unterhielten sie sich noch über Marie, dann wurde es der Grete zu kalt. Vor lauter Aufregung hatte sie nämlich vergessen eine Jacke anzuziehen. Sie verabschiedete sich von Herrn Heinevetter, ging in ihr Wohnzimmer und schnappte sich das Telefon. Die Nummer kannte sie mittlerweile auswendig. "Stell dir vor, Lieschen. Marie ist wieder da!"

Nach dem Telefonat mit Lieschen, setzte sich die Grete in ihren Sessel, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Marie, dachte sie, wie schön, Marie ist wieder da. Wie bunt die Welt doch auf einmal wieder ist. Schon komisch, was ein einzelner Mensch für Freude auslösen kann. Aber Marie ist ja schließlich auch nicht irgendwer. Sie ist herzensgut, erfrischend anders und vor allem der Grete in den letzten Jahren ans Herz gewachsen. Im Grunde, dachte die Grete, ist sie wie eine Tochter für mich. Eine Tochter, die mir nie vergönnt war. Jetzt kamen der Grete die Tränen. Sie wischte sich mit dem Handrücken über ihre Augen. "Na altes Mädchen, du wirst doch wohl jetzt nicht sentimental werden," sagte sie laut, griff zu einem Papiertuch und schneuzte sich die Nase. 






Mittwoch, 8. Januar 2014

Das Fräulein Grete Meier hat auch ein Coming-out

Das Fräulein Grete Meier hat auch ein Coming-out

Mann, war das heute mittag im Büro eine hitzige Diskussion gewesen. Fast im wahrsten Sinne des Wortes. Das Fräulein Grete lachte lauthals, als sie an die Reaktion von Susi dachte, als Eido mit der Nachricht, dass Thomas Hitzlsperger schwul ist, herausplatzte. "Kam eben in den Medien. Ganz schön mutig der Kerl, das muss ich schon sagen. Öffentlich darüber zu sprechen, als ehemaliger Fußballnationalspieler!" 
"Der ist schwul?" Susis entsetzter Gesichtsausdruck sprach Bände. "Nee, das kann ich nicht glauben. Ich fand den immer total interessant und klasse. Nee, ach wirklich, Eido, sag dass das ein Scherz ist, wo ich den doch früher immer angehimmelt habe!" Eido konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Kannste doch jetzt immer noch, mein Susilein." 
"Susilein, Susilein, ich bin nicht dein Susilein. Und was den Hitzlsperger angeht. Lass man stecken. Aus und vorbei! Schlimm genug, dass ich für einen Schwulen geschwärmt habe. Damit muss ich jetzt erstmal fertig werden." Dabei schüttelte sie mit dem Kopf. 
Ein bisschen erstaunt war die Grete schon über Susis Ausbruch. Aber naja, dachte sie, ist ein junges Ding, was weiß die denn schon. Trotzdem warf sie Susi einen mahnenden Blick zu. Was Susi nicht entging ( ist bei Gretes Blicken auch nicht möglich ). Knallrot im Gesicht kramte sie verlegen in ihrer Tasche. Mittlerweile waren Eido, Frau Seelig und der Chef mitten in einer Debatte über das Für und Wider eines solchen Outings, wenn man wie der Hitzlsperger Profisportler ist. In einer Sportart, die immer noch von Männern dominiert wird. "Ist doch schon komisch", warf Heidi Seelig ein. "Im Frauenfußball stört es wahrscheinlich niemanden, wenn das ein oder andere Mädel eventuell lesbisch ist. Die duschen auch zusammen!"
Ob es hier wohl nur um gemeinsames duschen geht, sei wohl mal dahingestellt, dachte die Grete. Da spielen ganz sicher andere Gründe eine weitaus größere Rolle. Imageverlust. Nicht von Hitzlsberger, aber vom Fußball im Allgemeinen. Männersport eben, von Männern für Männer. Deutlicher, von richtigen Männern für richtige Männer. Der Chef sprach dann auch aus, was in die Richtung von Gretes Gedanken ging. Den Imageverlust betreffend. "Also, ich hab wirklich nichts gegen Schwule. Aber, wüsste ich es von einem Spieler, ich glaube ich würde statt einem Mann, der versucht ein Tor zu schießen,  nur ein tänzeldes Etwas in einem rosa Tütü sehen. Fußball ist was für Kerle und nichts für Tunten." 
Grete bekam mal wieder Kopfkino, schmunzelte, rief sich aber selber sofort zur Ordnung. "Ehrlich Chef, das ist sowas von blöde, was sie da von sich geben. Da haben wir doch schon den Grund, warum betroffene Sportler schweigen. Vorurteile, nix als falsche Vorstellungen. Als ob jeder Schwule im rosa Tütü rumläuft. Quatsch mit Soße, aber ganz gewaltig." Nach Gretes Ausbruch kannte plötzlich jeder einen der schwul ist. Und in der Tat, niemand von denen rannte geschminkt, in Frauenkleidern, Lederklamotten oder im rosa Tütü herum, geschweige denn, dass derjenige komisch redete. Was immer man halt auch als komisch bezeichnen mag. "Aber irgendwoher müssen doch all die Vorurteile kommen", wagte sich Susi noch einmal vor. 
"Klar gibt es auch Ausnahmen. Und weil die eben dann besonders hervorstechen, wird das sogleich auf alle gemünzt", antwortete ihr die Grete. "Und die Medien", führte Eido Gretes Ausführungen weiter, "die Medien unterstützen das alles noch. In vielen Filmen werden Schwule genau so dargestellt. Da werden Vorurteile doch erst recht geschürt. Überleg doch mal, deine Freundin ist doch aus Russland. Ist sie deswegen eine Prostituierte? Oder ihr Vater, den du ja auch gut kennst, ein eiskalter Killer? In fast jedem Film, werden Russen aber so dargestellt. Ein Terrorist im Film? Klar, logisch, muss natürlich ein Moslem sein. Vorurteile, nix als Vorurteile, wohin man auch schaut." 

Recht hat er, der Eido, dachte die Grete, während sie ihren verdienten Feierabendkaffee in ihrer Küche trank. Und der Hitzlsperger? Hätte er recht damit getan, wenn er sich früher goutet hätte? Hätte das seinem Seelenfrieden wirklich was genützt? Muss man sich überhaupt outen? Blödes Wort, wer das nur erfunden hat! Aber, scheint wohl IN zu sein, so ein Coming-out. Zumindest was Stars und die Presse angeht. Obwohl ... der Hitzlsperger hat das bestimmt nicht wegen der Presse gemacht. Wurde ja auch wirklich mal Zeit, dieses Tabuthema im Sport zu brechen. Grete setzte ihre Tasse ab. Schon wieder so ein blödsinniges Wort. Tabuthema. Wer entscheidet denn, ob und was tabu ist. Nee, Grete, Schluss damit, Sonst kommste aus dem Gedankenquark nicht mehr raus. Räum lieber den Tisch ab.

Das machte die Grete dann auch. Ich oute mich jetzt auch, dachte sie dabei. Als "denSpülbisMorgenStehenlasserin". Auf dem Weg zum Balkon hörte sie auf einmal aus der Wohnung über ihr ein Geräusch. Klack, klack, klackklack, klack ... klackerdiklack. Grete blieb stehen und horchte. Da, da war es schon wieder. Klack, klack, klackklack ... das wird doch wohl nicht ... Gretes Herz machte einen Sprung. Schwungvoll riss sie die Balkontür auf.  "Hamse schon gehört, Frau Meier ..."