Dienstag, 17. Dezember 2013

Von einem ewigen Dilemma

Von einem ewigen Dilemma

Müde war das Fräulein Grete Meier gestern abend gewesen. So müde, dass sie der Frau Heber im Hausflur nur kurz zugenickt hatte. Erst als die Grete in ihrer Küche vor einer Tasse Lieschentee saß und so langsam einen Gang wieder runterschaltete, kam ihr der merkwürdige Gesichtsausdruck von Frau Heber wieder in den Sinn. Abwesend. Ja, genau das war das richtige Wort. Abwesend und irgendwie genervt. Was da wohl los sein mochte?
"Grete", murmelte sie vor sich hin, "Grete nich schon wieder. Das geht dich nix an. Rein gar nix. Halt dich da raus. Besser isses!"  Grete verscheuchte jeden Gedanken an die Frau Heber und widmete sich ihrem Tee. Das Verscheuchen, Wegdrängen, oder wie immer man das auch nennen mag, dauerte allerdings nur bis zur Zigarette, sprich, bis zu Herrn Heinevetter. "Hamse schon gehört, Frau Meier, bei Hebers ist der Teufel los. Aber so richtig. Und das nur wegen der lieben Schwiegermutter. Also der Mutter von Herrn Heber." Grete hatte noch nicht gehört, aber den Wissensvorsprung von Herrn Heinevetter würde sie sicherlich in den nächsten 5 Minuten auf Null runterfahren. Zumindest war  jetzt schon mal geklärt, warum Frau Heber so komisch drauf gewesen war. Der Rest kam dann nach und nach von Herrn Heinevetter dazu. Grund für Frau Hebers offensichtliche Verärgerung, war nämlich ein ganz einfacher. Der übliche "FamilienfeierWermitWemdennnunHeiligabendkollaps". So wie Herr Heinevetter mitbekommen hatte, wollte die junge Familie Heiligabend unter sich feiern. 
"Kann man ja auch verstehen, Herr Heinevetter. Luis ist zwei Jahre alt. Jetzt kriegt er doch alles das erste Mal so richtig mit. Den leuchtenden Baum, die Geschenke. Das wollen die Hebers natürlich genießen. Alleine, ohne Anhang." Denn das war es nämlich was den geplanten Heiligabend der Familie Heber zu zerstören drohte. Der Anhang. Eher hier wohl in der Einzahl als in der Mehrzahl zu sehen. Also ein Anhängsel. Die Schwiegermutter von Frau Heber. Nicht, dass es keinen Schwiegervater gibt. Aber der ist eben nicht die treibende Kraft. "Dem isses nämlich wurscht, wo er Heiligabend verbringt, hat mir die Frau Heber erzählt. Hauptsache in Frieden!" Nach und nach erfuhr die Grete, dass die Schwiegermutter partout nicht einsehen wollte, dass ihr "Junge" Heiligabend alleine mit seiner Frau und seinem Kind verbringen wollte. "Das gabs noch nie, das gehört sich nicht ... " Seit zwei Wochen musste sich Herr Heber jeden Tag am Telefon Vorwürfe anhören. Die Hebers waren schon ganz verzweifelt. Denn, so hatte es Frau Heber dem Herrn Heinevetter erzählt, wenn die Schwiegereltern Heiligabend mit ihnen feiern, dann müsste sie auch ihre Eltern einladen. Dabei hatte sie sich alles so schön vorgestellt. Zuerst am Heiligabend mit Luis in die Kirche, dann ein schönes Essen und zu guter Letzt Bescherung unter dem Weihnachtsbaum.  Am ersten Weihnachtstag wollten sie dann zu Herrn Hebers Eltern fahren und am zweiten Tag zu ihren. "Nun ist wieder alles nur Stress. Einkaufen, vorbereiten. Weil ich essen machen muss für vier Personen mehr, kann ich nicht in die Kirche. Schwiegermutter isst keinen Gänsebraten, den ich aber doch so gerne machen wollte. Sie will Hasenkeule. Wild essen aber meine Eltern nicht. Also muss ich zweierlei machen. Das ganze Fest ist mir bereits jetzt schon verdorben. Dabei wollten wir doch nur eines. Einen friedlichen Heiligabend mit Luis verbringen. ALLEIN! Am liebsten, Herr Heinevetter würde ich verreisen." So hatte die Frau Heber ihre Misere dem Herrn Heinevetter geschildert.
Die Grete ging nach dem Gespräch nachdenklich in ihre Wohnung zurück. Von solchen Dramen hatte sie schon oft genug in der Firma gehört. Helfen konnte man da nicht. Noch nicht mal mit guten Ratschlägen. Auch wenn die Hebers ihr ehrlich leid taten, da mussten sie alleine durch. Grete goss sich noch eine Tasse Tee ein. Auch wenn es mit Sicherheit nicht immer leicht ist, alleine zu leben, in solchen Momenten war die Grete froh darüber. 
Spontan griff sie zum Hörer und rief Tante Heidi an. Nur um ihr zu sagen, wie froh sie ist, eine solch unkomplizierte Familie zu haben. "Ich freu mich auf Heiligabend bei euch, und Tante Heidi, koch was du willst. Ich ess alles."




11 Kommentare:

  1. Wie oft liest man es und ich selber habe auch meine Erfahrungen damit. Dieses Zerreißen an den Feiertagen. Dabei könnte es mit ein wenig gutem Willen so einfach sein. Hinzu kommt noch das Wort Schwiegermutter. Warum haut das nicht hin, warum akzeptieren die Wahl der Kinder so selten, meist sind es die Frauen. Dabei wird jede Mutter mal eine Schwiegermutter. Ich habe mir immer vorgenommen, es bei meinen Kindern anders zu machen.
    Weihnachten ist nicht mehr das was es mal war, eigentlich brauche ich es gar nicht, einzig die Vorstellung, dass meine Kinder hier sind - sie haben alle keinen Partner- lässt mein Herz höher schlagen. Aber nach den Feiertagen reisen sie ab und auch das ist schön.
    Ich wünsche der Familie Heber eine vernünftige Lösung und Durchsetzungsvermögen. Wenn sie allein bleiben wollen, dann ist das gut und richtig.
    Lieben Gruß von Geli

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    1. Schwiegermutter ... scheint wirklich heute oft noch ein Thema zu sein... Schade eigentlich ...wünsche dir ein wunderschönes Weihnachtsfest ..
      Herzlichen Gruß vonner Grete

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  2. Ja dieses gibt es Jahr für Jahr in vielen Familien liebe Grete, habe ich schon oft gehört.
    Hoffentlich versteht es die Familie klipp und klar zu sagen, was sie will.

    Liebe Adventgrüße
    Angelika

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    1. Irgendwie kriegt man es ja immer alles in die Reihe oder unter einen Hut. Und wenn die Kerzen leuchten haben sich alle wieder lieb.
      Dir schöne Weinachten
      Herzlichen Gruß vonner Grete

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  3. nur kurz und knapp--es ist Weihnachten, das Fest des Friedens, also soll jeder in einer friedlichen Runde sein, so wie er es haben möchte...

    wir sind auch das 1. Fest alleine daheim, die Kinder wollten es nicht begreifen, doch dann kam die Einsicht, denn es muss nicht Weihnachten sein um sich zu sehen, das Jahr hat 365 Tage

    friedliche Weihnacht

    von Geli

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    1. Ein wahrer letzter Satz von dir. Wünsche dir ein schönes Fest.
      Herzlichen Gruß vonner Grete

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  4. Warum nur lässt man sich immer derart vereinnahmen? Und warum ist es so schwer, ein klares Nein zu formulieren? Familienzusammenhalt lässt sich doch nicht durch das zusammensein an solchen Feiertagen festmachen. Leider scheint es aber oft so zu sein.
    Der Festtagskollaps ist doch so schon vorprogrammiert.

    Da man es nicht allen Recht machen kann, sollte man sich wirklich durchringen, das beste für sich selbst rauszusuchen. Mag sein, dass der eine oder andere vor den Kopf gestoßen wird, aber letztlich hat man selber sicher ein besseres Gefühl.
    Ich wünsche der Familie Heber, dass sie es schafft, diesmal ihre Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen.
    Ganz oft klappt das auch.

    Gut, dass sich Grete diesmal zurückhält. Anfangs dachte ich schon....na ja, typisch Grete. Obwohl so müde, kann sie den Gedanken an Frau Heber nicht abstreifen. Aber sie lernt und das gefällt mir.

    Ein sehr passendes Thema für die jetzige Zeit, denn an diesem Problem nagen bestimmt viele Menschen.

    Gruß in den Abend
    Enya

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    1. Lach, ich denek, die Grete lernt dazu. Jeden Tag ein bisschen mehr ..
      Wünsche dir besinnliche Festtage
      Herzlichen Gruß vonner Grete

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  5. Oh ja, das jährliche Weihnachtsstreitthema. Dabei ist Weihnachten doch eigentlich für die Liebe und die Besinnlichkeit da... Da sollte jeder das machen, wonach im der Hut steht. Und wenn nicht ALLE unter einen Hut passen, dann gibts schließlich noch die Tage danach und die Tage davor und überhaupt kann man sich auch mal ohne Weihnachten sehen. Bin ich froh, dass meine Familie in dem Punkt ma nicht so kompliziert ist ;-)
    Liebe Grüße,
    Frauke

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    1. Da kannst du wirklich froh sein. Wünsche dir frohe Feiertage..
      Herzlichen Gruß vonner Grete

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  6. Was für ein Dilemma! Kein Wunder, wenn man immer öfter Worte liest wie "Weihnachtsstress" oder Christmas-burnout". Aber da sollte sich die junge Familie einfach durchsetzen - und die Eltern das akzeptieren.

    Mach´s dir gemütlich;)
    Liebe Grüße
    Christiane

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Da freut sich die Grete aber, dass du was zu sagen hast ...