Das Fräulein Grete Meier wird nominiert
"Ja, da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt. Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen?" Wenn das Fräulein Grete Meier nicht so wütend gewesen wäre, hätte ihr es ihr glatt die Sprache verschlagen. Zumal nicht nur Susi und Simon an der Sauerei in der Küche beteiligt waren, sondern auch noch der Chef. Höchstpersönlich. "Also echt jetzt, Chef", empörte sich die Grete, "und das in ihrem Alter! Wo simmer denn hier, im Kindergarten?" Wenn Blicke töten könnten wäre der Chef glatt umgefallen. Und Susi und Simon gleich hinterher. Alle drei standen sie da wie begossene Pudel. Beim Chef konnte man das sogar fast wörtlich nehmen. Der war nämlich sickenass. Wie der Boden. Auf dem noch ein paar einzelne Eisklümpchen in Pfützen schwammen.
"Ja und jetzt kommts, Herr Heinevetter", erzählte die Grete später auf dem Balkon. "Das war kein Missgeschick. Die haben das mit voller Absicht gemacht. Einfach einen Eimer mit Eiswasser über den Chef gegossen, haben die zwei. Na, denen habe ich erstmal was erzählt. Von wegen Sitte und Anstand und Respekt vor dem Chef!" Noch immer aufgewühlt zog die Grete hastig an ihrer Zigarette. "Das gibt ne Abmahnung, habe ich gesagt und solange geschimpft und gezetert, bis die Susi angefangen hat zu heulen. Und dann, halten sie sich fest, habe ich die Kamera entdeckt. Die haben das doch auch noch alles aufgenommen. Sowas, ich dacht mich tritt ein Pferd!"
Gespannt beugte sich Herr Heinevetter über die Mauer. Er mochte es, wenn die Grete sich so in Rage redet. "Und was hat ihr Chef dazu gesagt, der muss doch total fertig gewesen sein. Mein Gott, was er denn nur angestellt, dass die zwei sowas machen. Eiswasser über den Kopf schütten. Nee, nee, die heutige Jugend ..."
"Aber das war es doch", unterbrach ihn die Grete. "Der hat die dazu angestiftet. Ich bin bald aus den Latschen gekippt. Wer lässt sich denn freiwillig mit Eiswasser übergießen? Ich habe direkt seinen Puls gefühlt und wollte einen Arzt rufen. Simon musste mir das Telefon aus der Hand reißen. Ich sag ihnen, ein Tohuwabohu war das ...!
Die Grete kriegte sich noch immer nicht ganz ein. "Wie jetzt", sagte Herr Heinevetter. "Der wollte das? Und dann auch noch mit der Kamera dabei? Is der bekloppt?"
"Na, das könnense aber laut sagen. Total bekloppt. Da gibbet wohl auf facebook son Ding. Da muss man sich Eiswasser über den Kopf gießen und davon ein Filmchen machen. Und das dann da hochladen. Und wer nicht mitmacht muss was spenden. Aber alle machen mit und spenden trotzdem. Für ne gute Sache."
Grete erklärte dem Hern Heinevetter ausführlich wie das mit dem Eiswasser und dem Spenden funktioniert. Natürlich ohne zu erwähnen, dass Simon sie erst heute in die Geheimnisse dieser Eiswasser-Challenge eingeweiht hatte. Warum, wieso, weshalb ... und was es mit dieser Krankheit ALS auf sich hat, für deren Erforschung die Spenden sind. "Ja, und dat nennt man dann Challenge. Und wenn man da mitgemacht hat, muss man drei andere nominieren. Wie sone Kettenreaktion." Grete verstummte urplötzlich.
"Und ihren Chef hat man nominiert, und deshalb ..." Herr Heinevetter lachte. "Schön blöd! Was ist denn, Frau Meier?"
Grete war nämlich ziemlich bleich geworden. Sie beugte sich zu Herrn Heinevetter rüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Danach legte sie warnend den Finger auf den Mund. "Dass das aber ja unter uns bleibt!"
Keine zehn Minuten später klingelte Herr Heinvetter bei Klaus Wenig. "Hammse schon gehört ... "