Dienstag, 22. September 2015

Das Fräulein Grete Meier hat den Blues

Das Fräulein Grete Meier hat den Blues

Das Fräulein Grete Meier saß in der geöffneten Balkontür auf einem Stuhl, eingemummelt in ihrer Wolljacke und starrte in den Regen, der unaufhörlich die Geranien mit dicken Tropfen bedachte. Der Himmel schimmerte in einem trägen einheitsgrau. Und das schon seit dem frühen Morgen. So hatte die Grete sich ihren freien Tag nciht vorgestellt. Eigentlich mag die Grete den Herbst ja, vor allem die ersten Tage, wenn die Bäume sich langsam verfärben und im Sonnenlicht die ersten bunten Blätter zu Boden segeln. Doch dieses miese Wetter schlug ihr mächtig auf die Seele. Sonst voller Elan, vor allem wenn sie mal einen Tag in der Woche frei hatte, konnte sich die Grete heute zu nix aufraffen. Den halben vormittag hatte sie lustlos in Schlafanzug und Bademantel mit Kaffeetrinken und dem Lesen diverser alten Zeitungen verbracht. Selbst der PC war ausgeblieben. Ein anschließendes Schönheitsbad hatte ihre Stimmung auch nicht angehoben. Auch Rühreier mit Speck, sonst ein Allheilmittel gegen schlechte Stimmung, hatten nichts ausrichten können. Die Laune blieb im Keller. Zujmal die Grete nur Brot dazu hatte und keine Brötchen. Und das war auch nicht mehr taufrisch gewesen. So wie ich nicht, dachte die Grete, während sie an ihrer Zigarette zog. 
Sie betrachtete ihre Hände.  Faltig. Fast schon wie bei Frau Korters, die immerhin fast 20 Jahre älter ist. Die Grete sog die kühle Regenluft ein. Ist eben der Lauf der Dinge. Das Alter fordert seinen Tribut. Fast 55 Jahre haste nun schon auf dem Buckel. Gute und schlechte Jahre. Grete, wennste ehrlich bist, sind es wohl doch eher mehr gute. Dennoch, jetzt sitzte hier, allein und starrst in den  Regen. 
Ihre Gedanken liefen rückwärts. Was wäre wohl gewesen, wenn ich damals nicht ... Ach herrjeh, ja, der Rolf. "We had joy we had fun, we had seasons in the sun, but the hills that we climbed were just seasons out of time" ... Terry Jacks. Leise summte die Grete die Melodie vor sich hin. Und dann der Unfall ... Mein Gott, wie lange ist das jetzt schon her. Die Jahre bei Tante Heidi und Onkel Günther, der Einzug hier im Haus. Die erste Begegnung mit Herrn Heinevetter ... jetzt schmunzelte die Grete. Wie der damals vor mir stand auf dem Balkon nebenan, mit zerzausten Haaren auf dem schief ein Hut saß von dem der Regen tropfte, und mir einen Kaffee anbot. "So auf gute Nachbarschaft, Frau Meier, und hammse schon gehört ... also ich kann ihnen da was erzählen ..." War genau so ein Regentag gewesen wie heute. Lieschen, die sie vor etlichen Jahren wiedergetroffen hatte und die nun so weit weg wohnt. Ach, wie ich den Mittwochskaffee doch vermisse. Das gute Lieschen. 
Grete erinnerte sich an den ersten Tag von Susi im Büro. Das Gesicht total zugekleistert, auf hohen Hacken und vorlaut. Und heute? Heut isse schon Mama, die Susi. Das waste nie hingekriegt hast Grete! Jetzt liefen die Tränen. Grete kramte nach einem Taschentuch. Dumme Pute, dachte sie, während sie sich über die Augen wischte. Is so, hat nicht sein sollen. Sie schneuzte kräftig in das Tuch. Und außerdem, wer weiß, wozu das alles gut war. Und gut ist. Alleine biste doch deshalb nicht. Da sind Tante Heidi und Onkel Günther, Marie, das ferne Lieschen, die Kollegen und der Chef, Frau Korters, die Hebers,  Luis der Rabauke, Herr Wenig, der Holzmann ( ja, der auch!) und natürlich ... Eine Tür klappte. "Tach Frau Meier, hammse schon gehört?"


 

7 Kommentare:

  1. Doofe Tage gibt es. Ich wünsche dir alles Gute, Frl. Meier
    Herzlichst
    yase

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  2. Ach Grete, solche Tage hat wohl jeder einmal. Doch man darf sich nicht unterkriegen lassen und nicht in Trübsinn verfallen. Kopf hoch und morgen wird ein besserer Tag sein!
    LG
    Astrid

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  3. So und nun habe ich die Melodie im Kopf ;)
    Irgendwie ist hier auch so ein Tag - Herbst eben und das Wetter regt zu genau diesen Stimmungen an...

    Liebe Grüße aus dem Odenwald
    Björn :)

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  4. Ach Grete, solche Tage gehören einfach dazu. Auch bei allen anderen vermeintlich immer glücklichen Menschen! Ruf einfach mal das Lieschen an und quatscht eine Runde, dann wirds bestimmt wieder besser!
    Liebe Grüße,
    Frauke

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  5. Hätte ich eigentlich nicht gedacht, dass die Grete den Blues bekommt, keine Sorge Grete , das vergeht, jeder hat so Tage besonders bei Regen. Die Musik dazu, ja, das war meine Zeit, die macht mich nun wieder munter. Also Kopf hoch, Deine Onkel, Tanten und Freunde sind ja da und Herr Heinevetter meint es ja auch gut.
    Nu ist bald wieder Wochenende und die Grete soll sich mal mit schönen Dingen umgeben, das hilft, raus aus dem Haus.
    Liebe Grüße, klärchen

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  6. Liebes Fräulein Grete,
    das Lied mochte ich immer sehr! Aber es ist auch eins, das einen gut in "Seinerzeit-Gegrübel" abstürzen lassen kann. Wie wär's stattdessen heute mal mit Always look on the bright side of life oder Don't worry, be happy!!!??? :o)
    Alles Liebe und eine schöne neue Woche
    wünscht dir die Traude
    http://rostrose.blogspot.co.at/2015/09/irland-reisebericht-blumeninsel.html

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Da freut sich die Grete aber, dass du was zu sagen hast ...