Dienstag, 8. Dezember 2015

Von einem Mistelzweig und Wolke 4

Von einem Mistelzweig und Wolke 4 

Das Fräulein Grete Meier saß in eine Decke gehüllt auf ihrem Balkon und blätterte in alten Fotoalben. Immer wieder griff sie dabei in die Schale mit den Weihnachtsplätzchen. Selbstgebacken versteht sich. Ab und an rutschte ihr ein Seufzer über die Lippen, aber die meiste Zeit lächelte sie stillvergnügt vor sich hin. Wie verliebt sie doch damals gewesen war.  So richtig mit tausenden von Schmetterlingen im Bauch. Wie schlank sie aussah auf dem Bild.  Und die Haare, lockig und bis über die Schultern. Sie fuhr mit den Fingerspitzen über das Gesicht neben ihr auf dem alten Foto. Rolf! Dreimal Wolke sieben und zurück. Grete schloss die Augen und holte sich die Szene am Strand zurück. Hach,  in der Vergangenheit zu Schwelgen ist schon was Feines. Viel zu selten hat man Zeit und Ruhe dafür.
"Na Frau Meier, das is ein Wetterchen, gell? Fünfzehn Grad in der Sonne. Und das so kurz vor Weihnachten"
Fast wäre die Grete von ihrer Bank gekippt, so sehr erschrak sie. "Mensch Herr Heinevetter, müssen sie sich so anschleichen? Ne alte Frau verträgt sowas nicht mehr ..."
Schuldbewusst blickte Herr Heinevetter auf seine Puschen. "Tut mir leid, Frau Meier. Aber weil es so warm ist, habe ich nicht daran gedacht richtige Schuhe anzuziehen." Neugierig beugte er sich über die Mauer. "Was schauen sie sich denn da an? Fotos von Verflossenen?"
Grete überhörte geflissentlich die Frage. Das fehlte ja noch, dass der Heinevetter Bilder von ihr im Bikini zu sehen bekam, dachte sie. Schnell klappte sie das Album in ihrer Hand zu, legte es zu den anderen neben sich auf die Bank und stand auf.  "Kekse, Herr Heinevetter? Zimtsterne, selbst gebacken, die mögen sie doch so gerne." Grete hielt ihm die Schale direkt unter die Nase. "Greifen se ruhig zu, ich hab noch jede Menge. Ach was, nehmense doch gleich die ganze Schale..." Sie drückte ihm die Schale in die Hand. "Ich muss dann auch mal wieder ..."
Und Schwupps war die Grete auch schon mit dem Stapel Alben in ihrem Wohnzimmer verschwunden. Zurück blieb ein perplexer Herr Heinevetter mit einer Schale Zimtsterne in den Händen, der ihr hinterher starrte. aber nicht lange. Feiner Zimtduft stieg in seine Nase und kitzelte seinen Gaumen. "Was solls", murmelte er vor sich hin, griff in die Schale und stopfte sich gleich zwei Kekse auf einmal in den Mund. "Hmmm ... backen kannse ..." 

Grete hatte sich mittlerweile an ihrem Computer verzogen. Skypen mit Lieschen war heute nicht drin, da diese mit Herrmann den ganzen Tag unterwegs sein würde. Irgendein Museum anschauen. Mit Museen hat es die Grete nicht so. Lieschen eigentlich auch nicht. Aber der Herrmann. Und naja, was tut man nicht alles so, wenn man ... 
Grete mochte nicht weiterdenken. Dennoch konnte sie ihre Gedanken nicht aufhalten.Würde sie auch, wenn ... also wenn der Holzmann ... Grete!!! Denk nicht mal dran. Es war nur ein einziger Kuss. Völlig harmlos. Und praktisch erzwungen. Von einem Mistelzweig. Das gilt nicht. Das hat nichts zu sagen. ÜBERHAUPT NICHTS! Und geschmeckt hat es eh nur nach Eierpunsch. 
Grete bearbeitet entschlossen die Tastatur: Liebes Lieschen ... ich glaube, ich habe mich ein bisschen verliebt ... du ahnst bestimmt schon in wen ...
Grete schrieb und schrieb. Von der Weihnachtsfeier, zu der Herr Holzmann sie freundlicherweise begleitet hatte, von dem tollen Kleid, dass sie getragen hatte, von Eierpunsch und ihren Kollegen, die ihr alle zu Herrn Holzmann gratuliert hatten. Sogar der Chef hatte gemeint, was für ein netter Mann das sei und wie gut er doch zu ihr passen würde! Hah, als ob ... 
Und sie schrieb Lieschen von dem Mistelzweig unter dem sie sich urplötzlich (ich schwöre Lieschen, ich hab den nicht gesehen!) mit Herrn Holzmann befunden hatte und davon, dass Susi und Berta plötzlich angefangen hatten "Küssen, küssen, küssen" zu rufen. Natürlich hatten dann plötzlich alle anderen auch nichts Besseres zu tun gehabt, als ebenfalls ins gleiche Horn zu stoßen. Lieschen, mir ist nichts anderes übrig geblieben. Ich musste den Holzmann küssen. Und ich sag dir ...
An dieser Stelle unterbrach die Grete ihren Schreibfluss. "Herrgottnocheins Grete", fluchte sie laut. "Was schreibste denn da für einen Müll. Verliebt ... ich doch nicht ...
Ein Klick und die E-Mail war gelöscht. Fürs Erste ...








5 Kommentare:

  1. Nachtigall, ick hör dir trappsen ..., bin gespannt, ob sich da noch was entwickelt!
    Liebe Grüße
    Regina

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  2. Ich kann nur sagen: Steh zu Deinen Gefühlen!
    Auch ich bin gespannt, was sich aus diesem zarten Pflänzchen noch entwickelt.
    LG
    Astrid

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  3. ach naja Grete, so ein Kuss - ein Küsschen unterm MISTELZWEIGLEIN, das darf doch durchaus sein und wenns dann auch noch so zur Probe wie es sich irgendwann mal anfühlte - auch mal kurzfristig kribbelt! jaha...auch das darf sein!
    welch ne hübche geschichte, da tut die Grete auch mal was an gefühlen kund:))zwinker, das soll auch so sein...wozu schreibt man sonst GEDICHTE!
    lacht Angel....

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Da freut sich die Grete aber, dass du was zu sagen hast ...