Freitag, 27. Dezember 2013

Von Eierpunsch und falschen Geschenken

Von Eierpunsch und falschen Geschenken

Uff, dachte das Fräulein Grete Meier, geschafft. Wieder mal. Das Fest der Liebe, also Weihnachten, ist vorbei. Völlig in Gedanken an die letzten Tage versunken, rührte die Grete in ihrem Lieschentee. Viel war nicht passiert, zumindest kaum etwas, was nicht auch in den letzten Jahren zum Weihnachtswahnsinn gehört hätte. Denn egal was auch Heiligabend tagsüber passiert, abends haben sich eh wieder alle lieb. Liegt wohl in der Natur der Menschen. Grete regt sich über so etwas wie mittlere Katastrophen schon lange nicht mehr auf. Irgendwie findet sie es sogar lustig, wenn sich Tante Heidi und Onkel Günther in die Haare kriegen, weil der Baum entweder zu groß geraten oder zu klein ist. Dieses Jahr war er zu groß. "Die Kugeln reichen nicht", tönte Tante Heidi. "Und überhaupt, ich habe zu wenig Kerzen!" Natürlich reichten die Kugeln und zu den Kerzen (solche modernen mit Batterie) gesellte sich kurzerhand eine alte Lichterkette. Die natürlich total verheddert war. Mit drei kaputten Birnchen. Also musste Onkel Günther nochmal los, Ersatz besorgen. Im Endeffekt erstrahlte, pünktlich zum abendlichen Essen, der Weihnachtsbaum dennoch im alljährlichen Glanz. So endete der Abend friedlich, so wie jedes Jahr. Die Grete blieb über Nacht und fuhr erst wieder nach einem ausgedehnten Frühstück nach Hause. Dort machte sie es sich auf der Couch bequem, mit Tante Heidis Makronen und selbstgemachtem Eierpunsch. Immerhin, Weihnachten haben die Sendeanstalten ja doch einiges an schönen alten Filmen zu bieten. Weihnachtsfilme mag die Grete nämlich sehr. Braucht sie sonst im Jahr keinerlei Herz-Schmerz-Gedöhne, an solchen Tagen passt es einfach. Abends hat sie dann noch eine ganze Stunde mit Lieschen telefoniert. Kein skype, denn Lieschen hat noch keinen Internetanschluss. "Wird wohl noch ein bisschen dauern Grete." Lieschen hat sich schon etwas eingelebt, was die Grete ungeheuer beruhigt hat.
Am zweiten Weihnachtstag hat die Grete dann alles für den obligatorischen Weihnachtskaffee vorbereitet. Hat sich in den letzten Jahren so ergeben, dass sich die Hebers, Frau Korters, und nicht zu vergessen der Herr Heinevetter bei der Grete nachmittags zum Punsch trinken treffen. Es wird gewichtelt und alle haben Spaß. Dieses Jahr war es besonders lustig, weil Luis alle auf Trab hielt. Herr Heinevetter hat ihm nämlich eine kleine Trommel gekauft, die er ausgiebig bearbeitete.
Zufrieden mit sich und der Welt dachte die Grete daran, wie glücklich die junge Frau Heber ausgesehen hatte. Entgegen aller Unkenrufe und Befürchtungen was die liebe Schwiegermutter anging, war der Heiligabend doch ein voller Erfolg gewesen. "Stellen sie sich mal vor, Frau Meier, sogar in den Arm genommen hat sie mich. Und meine Gänsekeulen haben ihr auch geschmeckt. Und schauen sie nur, dieses hübsche Armband hat sie mir geschenkt." Stolz hatte sie dabei ihre Hand der Grete entgegengestreckt, an dem ein silbernes Arband mit kleinen Anhängern glänzte. Herr Heinevetter hatte den Heiligabend bei seinem Neffen verbracht. "Ist wirklich ein lieber Junge, Frau Meier. Und so einen netten Freund hat der jetzt. Ganz verliebt sind die zwei." Später kam dann noch Herr Wenig vorbei. Aber nur kurz, denn er musste wieder ins Krankenhaus zurück. "Schade um den Punsch, liebe Frau Meier, aber Alkohol ist tabu wenn ich arbeiten muss."
Nun, der Kinderpunsch, den die Grete extra für Luis gemacht hatte, schmeckte dann auch dem Herrn Wenig. 
Der Tag heute im Büro war auch sehr ruig verlaufen. alle waren immer noch in dieser friedlichen Weihnachtsstimmung gewesen. Nur der Chef nicht. Grete fragte aber nicht nach. Sie konnte sich schon denken, was los ist. Ist nämlich jedes Jahr so. Im Grunde mag sie die Frau vom Chef. Ist eine ganz nette, wie sie immer sagt. Scheinbar schafft der Chef es aber nie, das richtige Geschenk für seine Frau auszusuchen. Ergo hängt jedes Jahr der Haussegen schief. Geburtstag, Hochzeitstag, ja, da besorgt die Grete das passende Geschenk. Aber Weihnachten? Nee, Chef, sagt sie immer wenn er fragt, das machen sie mal schön selber. Weihnachtsgeschenke muss man selber aussuchen und auch selber verpacken.. Da ist die Grete eigen drin. Und wirklich, der Chef gibt sich immer alle Mühe. Doch was er auch veranstaltet, das Fettnäpfchen ist nicht weit. "Echt jetzt, Frau Seelig, letztes Jahr waren es die teuren Diätbücher und der Weightwatcherskurs. Und obwohl sie wochenlang von nix anderem gesprochen hat, als dass sie unbedingt abnehmen will, hat sie die Bücher aus dem Fenster geschmissen. Muss man nicht verstehen, oder?" Heidi Seelig allerdings verstand die Reaktion.
Egal, dachte die Grete, stellte ihre leere Tasse in die Spüle und schnappte sich den neuen Krimi ("Noah" von Sebastian Fitzek), den sie beim Wichteln ergattert hatte.
Jetzt kann es kommen, das neue Jahr. Dabei schmunzelte sie und schlug das Buch auf. 

Dienstag, 17. Dezember 2013

Von einem ewigen Dilemma

Von einem ewigen Dilemma

Müde war das Fräulein Grete Meier gestern abend gewesen. So müde, dass sie der Frau Heber im Hausflur nur kurz zugenickt hatte. Erst als die Grete in ihrer Küche vor einer Tasse Lieschentee saß und so langsam einen Gang wieder runterschaltete, kam ihr der merkwürdige Gesichtsausdruck von Frau Heber wieder in den Sinn. Abwesend. Ja, genau das war das richtige Wort. Abwesend und irgendwie genervt. Was da wohl los sein mochte?
"Grete", murmelte sie vor sich hin, "Grete nich schon wieder. Das geht dich nix an. Rein gar nix. Halt dich da raus. Besser isses!"  Grete verscheuchte jeden Gedanken an die Frau Heber und widmete sich ihrem Tee. Das Verscheuchen, Wegdrängen, oder wie immer man das auch nennen mag, dauerte allerdings nur bis zur Zigarette, sprich, bis zu Herrn Heinevetter. "Hamse schon gehört, Frau Meier, bei Hebers ist der Teufel los. Aber so richtig. Und das nur wegen der lieben Schwiegermutter. Also der Mutter von Herrn Heber." Grete hatte noch nicht gehört, aber den Wissensvorsprung von Herrn Heinevetter würde sie sicherlich in den nächsten 5 Minuten auf Null runterfahren. Zumindest war  jetzt schon mal geklärt, warum Frau Heber so komisch drauf gewesen war. Der Rest kam dann nach und nach von Herrn Heinevetter dazu. Grund für Frau Hebers offensichtliche Verärgerung, war nämlich ein ganz einfacher. Der übliche "FamilienfeierWermitWemdennnunHeiligabendkollaps". So wie Herr Heinevetter mitbekommen hatte, wollte die junge Familie Heiligabend unter sich feiern. 
"Kann man ja auch verstehen, Herr Heinevetter. Luis ist zwei Jahre alt. Jetzt kriegt er doch alles das erste Mal so richtig mit. Den leuchtenden Baum, die Geschenke. Das wollen die Hebers natürlich genießen. Alleine, ohne Anhang." Denn das war es nämlich was den geplanten Heiligabend der Familie Heber zu zerstören drohte. Der Anhang. Eher hier wohl in der Einzahl als in der Mehrzahl zu sehen. Also ein Anhängsel. Die Schwiegermutter von Frau Heber. Nicht, dass es keinen Schwiegervater gibt. Aber der ist eben nicht die treibende Kraft. "Dem isses nämlich wurscht, wo er Heiligabend verbringt, hat mir die Frau Heber erzählt. Hauptsache in Frieden!" Nach und nach erfuhr die Grete, dass die Schwiegermutter partout nicht einsehen wollte, dass ihr "Junge" Heiligabend alleine mit seiner Frau und seinem Kind verbringen wollte. "Das gabs noch nie, das gehört sich nicht ... " Seit zwei Wochen musste sich Herr Heber jeden Tag am Telefon Vorwürfe anhören. Die Hebers waren schon ganz verzweifelt. Denn, so hatte es Frau Heber dem Herrn Heinevetter erzählt, wenn die Schwiegereltern Heiligabend mit ihnen feiern, dann müsste sie auch ihre Eltern einladen. Dabei hatte sie sich alles so schön vorgestellt. Zuerst am Heiligabend mit Luis in die Kirche, dann ein schönes Essen und zu guter Letzt Bescherung unter dem Weihnachtsbaum.  Am ersten Weihnachtstag wollten sie dann zu Herrn Hebers Eltern fahren und am zweiten Tag zu ihren. "Nun ist wieder alles nur Stress. Einkaufen, vorbereiten. Weil ich essen machen muss für vier Personen mehr, kann ich nicht in die Kirche. Schwiegermutter isst keinen Gänsebraten, den ich aber doch so gerne machen wollte. Sie will Hasenkeule. Wild essen aber meine Eltern nicht. Also muss ich zweierlei machen. Das ganze Fest ist mir bereits jetzt schon verdorben. Dabei wollten wir doch nur eines. Einen friedlichen Heiligabend mit Luis verbringen. ALLEIN! Am liebsten, Herr Heinevetter würde ich verreisen." So hatte die Frau Heber ihre Misere dem Herrn Heinevetter geschildert.
Die Grete ging nach dem Gespräch nachdenklich in ihre Wohnung zurück. Von solchen Dramen hatte sie schon oft genug in der Firma gehört. Helfen konnte man da nicht. Noch nicht mal mit guten Ratschlägen. Auch wenn die Hebers ihr ehrlich leid taten, da mussten sie alleine durch. Grete goss sich noch eine Tasse Tee ein. Auch wenn es mit Sicherheit nicht immer leicht ist, alleine zu leben, in solchen Momenten war die Grete froh darüber. 
Spontan griff sie zum Hörer und rief Tante Heidi an. Nur um ihr zu sagen, wie froh sie ist, eine solch unkomplizierte Familie zu haben. "Ich freu mich auf Heiligabend bei euch, und Tante Heidi, koch was du willst. Ich ess alles."