Von Balkonsängern, Fröschen und reinem Gewissen
Super gut gelaunt war die Grete
am Samstag in der Frühe. Total relaxt von ihrem Entschleunigungstag. Den ganzen
Vormittag summte sie vor sich hin. Während des Putzens, beim Einkaufen und
sogar unter der Dusche. Obgleich sie die ja nicht gerne benutzt. Lieber liegt
sie in einem Schaumbad. Doch zum Summen eignet sich die Dusche eben besser.
Findet die Grete. An Liedern fehlte es ihr nicht. Wenn die Grete einmal summt,
dann quer Beet. Dann springt sie von "Moonlight Shadow", über "Top
of the world" zu "The Final Countdown" und wieder zurück zu "Verdammt
lang her". Sogar zu "Hoch auf
dem gelben Wagen" und "Aus grauer Städte Mauern" lässt sie sich
hinreißen. Sie summt alles was ihr durch den Kopf geht. Nicht immer so ganz
astrein, manches ist schief, aber das macht nix. Wenn die Grete fröhlich ist,
ist ihr sowas egal. Hört doch eh keiner. Außer vielleicht der Herr Heinevetter,
weil die Balkontür offen steht. Musser
aushalten, denkt dann die Grete und summt weiter.
Grund der ganzen Summerei war
die erste richtige Ausfahrt mit ihrem neuen Wagen. Mal eben zum Einkaufen zählt
für die Grete nicht. Ein weiterer Grund, das Lieschen. Also genaugenommen, die
erste richtige Fahrt mit dem Wagen zusammen mit Lieschen.
Der Tag war herrlich. Völlig
untypisch für den 1. November. Sechzehn Grad zeigte das Thermometer. Kaum Wind
und die Sonne schien auch zeitweise. Der Motor war so leise, dass die Grete an
einer roten Ampel schon dachte, er sei ausgegangen. Lieschen wartete schon vor
der Haustür. Natürlich bewunderte sie den Wagen ausgiebig, bevor sie einstieg.
Grete weiß das zu schätzen. Sie kennt ja Lieschens Einstellung zu Autos. Ein
paar Minuten überlegten sie, welches Ziel man anpeilen sollte. Da das Wetter nach einem Spaziergang förmlich
schrie, entschlossen sie sich zum Schlosspark zu fahren. Ein weitläufiges
Gelände mit wunderschönen Spazierwegen. Grete war schon lange nicht mehr dort
gewesen. Während der Fahrt tratschten sie über dies und das. Grete, die immer
noch Musik im Kopf hatte, war ganz begeistert von einer Idee, die in Berlin umgesetzt
wird. "Da wäre ich gern mal dabei Lieschen. Die Nacht der singenden
Balkone. Das machen die in Friedrichshain. Jeder der will, meldet sich an und
singt dann von seinem Balkon aus. Da machen sogar professionelle Opernsänger
mit. Und Leute wie du und ich. Das ist bestimmt ein wundervolles Spektakel. Organisiert
wird das alles von Polly&Bob, einer Art Nachbarschaftshilfeverein. Die haben
eine Internetseite. Nachbarn helfen Nachbarn. Also Babysitten, Einkaufen und
vieles mehr. Ich habe mir die Seite mal angeschaut. Echt toll, was die alles so
auf die Beine stellen. Großstadt ist doch nicht immer gleichzusetzen mit -Keiner
kennt Keinen -, da geht richtig was ab."
Großstadt versus Kleinstadt
oder Dorf, Leben in der Stadt versus Leben auf dem Land. Sind Nachbarn gut,
oder geht es besser ohne. Da hatten die zwei nun ein Thema, welches den ganzen
Nachmittag füllte. Die Grete könnte nie ohne Nachbarn auskommen, Lieschen dagegen
eher. Vielleicht nicht immer, aber für eine Weile ganz sicher. "Du
brauchst das eben, Grete, den Trubel, das Chaos und die Probleme anderer. Dich
selber vergisste oft dabei. Gesund ist was anderes." Grete hört in solchen
Momenten immer still zu. Sie weiß, dass Lieschen recht hat. Zugeben, dass es vom
Ansatz her so ist, fällt ihr jedoch schwer. Deshalb schweigt sie lieber. Du
hast ein Helfersyndrom, hat schon Tante Heidi früher zu ihr gesagt. Und auch:
Gut ist das nicht. Immer wenn die Grete dann mal eine schlechte Erfahrung
gemacht hat, hat sie an diese Worte gedacht. Und sich stets vorgenommen, etwas
zu ändern. Manchmal hat sie es auch dann tatsächlich geschafft. Was nicht immer
ohne schlechtes Gewissen stattfand. Und ein schlechtes Gewissen erträgt die
Grete nicht. Irgendwann hat sie dann beschlossen, sich so anzunehmen wie sie
ist. "Lieschen, auch wenn du vielleicht recht hast, ich muss mir im
Spiegel begegnen können, reinen Gewissens. Ich ganz alleine."
Gut, dass es neben den ernsten
Themen auch vieles zu Lachen gab. Ulkige kleine Frösche, kaum größer als eine
Walnuss, hüpften über die Waldwege, Menschen in den abenteuerlichsten Bekleidungen
begegneten ihnen, und der ein oder andere Gesprächsfetzen, der an ihre Ohren
drang, bot ebenfalls Anlass zu Gekicher.
Insgesamt war es ein vergnüglicher Nachmittag.
Als die Grete das Lieschen
wieder zuhause absetzte, wollte die dann doch
noch etwas wissen. "Sag mal, die ganze Zeit sagt du WAGEN und nicht
mehr Autochen. Was´n los?"
"Nix, Lieschen, der ist
doch jetzt neu. Autochen war alt und eben Autochen. Gibt es nur einmal. Aber,
ich werd mir einen Namen überlegen. WAGEN ist langweilig, da haste recht. Aber
sowas von!"
Was Lieschen davon hält könnt ihr hier nachlesen ---> KLICK
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Bei Interesse Polly&Bob
Zwei Freundinnen, ein neues Auto und die erste gemeinsame Fahrt zusammen. Das ist herrlich. Schön, dass die beiden eng zusammen wohnen und sich sehen können. Ein Satz gefällt mir besonders,
AntwortenLöschenich muss mir im Spiegel begegnen können. So sehe ich es auch, wer sich ehrlich gegenübertritt hat den klaren Blick.
Wieder ein schöner Beitrag zum Sonntagabend. Geli
"Musser aushalten" :-)
AntwortenLöschenHält er gerne aus, der Dingefinder. Wieder schön!