Von Kopfhörern und einer diebischen Elster
So hatte sich das Fräulein
Grete Meier den Samstag nicht vorgestellt. So nicht. Auf gar keinen Fall. "Ich
wäre doch niemals mit Tante Heidi in das Einkaufszentrum gefahren, wenn ich
gewusst hätte was da passiert!" Sichtlich empört wanderte die Grete in der
Küche von Frau Korters auf und ab. Die schloss erst mal die Wohnungstür und folgte
dann der Grete. Grete war nämlich einfach in die Küche durchgestürmt, nachdem
Frau Korters ihr geöffnet hatte. So aufgeregt hat sie die Grete schon lange
nicht mehr gesehen. "Nu setzen sich doch hin, Frau Meier. Ich koch einen
Kaffee und dabei könnense mir erzählen, warumse so verstört sind."
Die Grete ließ sich mit einem
lauten "Ach, sie ahnen ja nicht" auf die Eckbank plumpsen. Während
der Kaffee durchlief schilderte die Grete der Frau Korters ihr samstägliches
Erlebnis.
"Also, Onkel Günther
wollte Kopfhörer haben. Sie wissen schon, seit meine Tante Hörgeräte trägt, ist
ihm der Fernseher zu leise. Mit Kopfhörern kann ich die Lautstärke selber
regeln - hat er gesagt. Jedenfalls bin ich dann am Samstag mit Tante Heidi los.
Ins Einkaufszentrum, zu Saturn. Wir haben dann einem Verkäufer das Problem
geschildert und der hat uns dann auch einen Kopfhörer empfohlen. Wir wieder
nach Hause. Das war ein Drama, sag ich ihnen. Wir haben ihn angeschlossen, aber nix hat sich getan. Kein
Ton kam aus den Dingern. Onkel Günther hat die Bedienungsanleitung vom
Fernseher vor und zurück gelesen. Blieb uns ja nichts anderes übrig, als die
Dinger wieder zurückzubringen. Natürlich war der Verkäufer von vorhin nicht
mehr da. Diesmal bediente uns ein junger Bursche. Der wollte ständig
irgendwelche technischen Daten von dem Fernseher wissen. Tante Heidi hat so gut
es eben ging die Fragen beantwortet. Sogar einen ähnlichen Fernseher hat sie
ihm gezeigt. Zum Schluss hat der junge Mann uns andere Kopfhörer mitgegeben.
Mit anderen Anschlüssen. Und uns genau erklärt, in welche Buchse wir ihn
einstecken müssen. Onkel Günther hatte da wohl nicht alles richtig gemacht. Wieder
zurück, hat Onkel Günther natürlich gleich die umgetauschten Kopfhörer
ausprobiert. Und was glaubense … "
"Wieder kein Ton?",
antwortete Frau Korters, sichtlich gespannt auf die Fortsetzung. "Nee, Ton
war jetzt da, aber nur in den Dingern. Jetzt konnte Onkel Günther zwar hören,
aber meine Tante nicht. Ein Dilemma, ich sag es ihnen. Dabei ist das doch
logisch. Der Ton wechselt doch nur den Ausgangskanal von Lautsprecher auf
Kopfhörer. Ich hab das ja dem Verkäufer gleich gesagt, dass das so bestimmt
nicht geht. Und Onkel Günther auch. Aber der weiß ja immer alles besser.
Zumindest jetzt, hat er es wenigstens eingesehen." Grete schüttelte noch
nachträglich über so viel Unverstand den Kopf. Frau Korters legte ihren Kopf
schief und sah die Grete neugierig an. "Und deshalb sind sie so
durcheinander? Wegen einem falschen Kopfhörer?"
"Ach was", wehrte die Grete
ab. "Doch nicht deswegen. Wegen dem Raub!" Irgendwie kam Frau Korters
nun nicht mehr mit. "Wassen fürn Raub? Sie haben die Kopfhörer doch nur
umgetauscht!" Grete setzte mit Schwung ihre Tasse ab. "Das ist es
doch, was ich ihnen die ganze Zeit erzählen will. Bin ja mit Tante Heidi dann
nochmal zurückgefahren. Wieder ein anderer Verkäufer, aber der hat gleich
gewusst, dass das so nicht funktioniert, wie sich Onkel Günther das vorstellt.
Hat auch die Kopfhörer wieder zurückgenommen. An die Kasse sollten wir dann,
damit wir das Geld wieder kriegen. Und da ist es dann passiert. Tante Heidi
wollte gerade ihre Börse verstauen, wir standen schon draußen vor der Tür, da
wurden wir angerempelt. Ich hab mich natürlich gleich umgedreht. Aber zu spät. Tante
Heidi stand ohne Tasche da. Einfach aus der Hand gerissen, von einem jungen
Mädchen. Stellen sie sich das mal vor!" Frau Korters wollte sich das
augenscheinlich nicht vorstellen, denn sie hielt sich die Hände vor das
Gesicht. "Wie schrecklich, Frau Meier. Wie schrecklich!"
"Nix schrecklich. Ich bin
sofort hinterher und hab mir das Mädel am Kragen gepackt. Was soll ich ihnen
sagen, geschrien hat die wie am Spieß. Und dann standen plötzlich zwei
Polizisten da. Alle mussten wir zur Wache. Stunden hat das gedauert, bis die alles
zu Protokoll genommen hatten. Die Göre hat doch allen Ernstes behauptet, das
wäre ihre Tasche. Na, der hab ich was erzählt. Immerhin stellte sich heraus, dass
sie polizeibekannt ist. Vierzehn Jahre und so abgebrüht. Wo leben wir
eigentlich. Einer alten Frau die Tasche stehlen. Wir konnten dann nach einer
Weile gehen. Das Mädchen musste dableiben. Die
Mutter war wohl schon auf dem Weg. Komm ich nich drüber, Frau Korters,
so jung!"
Auch Frau Korters war
reichlich entsetzt. "Hört man ja immer wieder, Frau Meier. Deshalb halt
ich meine Tasche immer fest und lass sie nicht aus den Augen. Und mein Geld hab
ich um den Hals hängen. Da kommt keiner dran."
Das gefiel der Grete. Geld
nicht in der Tasche aufbewahren, sondern in einem Beutel um den Hals. "Ich
muss eh gleich noch mit meiner Tante telefonieren, damit sie weiß, dass ich gut
nach Hause gekommen bin. Die war danach
total neben der Spur. Und Onkel Günther hat sich auch aufgeregt. Da werd ich
das mit dem Beutelchen gleich mal vorschlagen."
Tante Heidi jammerte zwar noch
ein bisschen, aber die Grete konnte nach dem Telefonat wenigstens sicher sein,
dass sie, außer einem Schrecken, nichts davon getragen hat. Sie selber war längst
von jeglichem Zorn befreit. Denn trotz allem denkt die Grete, dass es ganz
sicher irgendeine Geschichte hinter der Geschichte gibt. Vielleicht eine
traurige, denn warum sollte sonst ein junges Mädchen versuchen eine Handtasche
zu rauben.
Was Lieschen davon hält könnt ihr hier nachlesen ---> KLICK
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Ach herje liebe Grete was für ein aufregener Samstag....
AntwortenLöschenErst das Drama mit den Köpfhörern und dann noch der Raub.
Gut das Frau Korters erst einmal einen guten Kaffee gekocht hat.
Ja heute muß man immer auf der Hut sein und seine Tasche gut festhalten, junge Diebe gibts überall, selbst in Bahnhöfen und U-Bahnen wird durch Lautsprecher vor dieben gewarnt, die dort bandenmässig auftreten, Da war ich in Köln ganz erstaunt als die Durchsage kam. Bin ja selten in einer großen Stadt, wohne auf dem Land.
Einen schönen und erholsamen Abend und liebe Grüße
Angelika
Ja, Köln ist schlimm. Besonders am Bahnhof. Da halte ich auch immer meine Tasche fest am Körper. Danke dir
LöschenGruß vonner Grete
Das war ein aufregender Einkauf mit Hindernissen, was sich lustig anhört ist bitterer Ernst und so leicht steckt man das nicht weg.
AntwortenLöschenSicherlich sollte man auch Mitleid empfinden, ich bin da gemischt in meinem Denken. Es gibt eine Geschichte das ist richtig, aber trotzdem rechtfertigt das Diebstahl nicht.
Geli
Da gebe ich dir vollkommen recht. Vielen Dank für den Kommentar.
LöschenGruß vonner Grete
Das war ja ein aufregender Samstag.
AntwortenLöschenErst falsche Kopfhörer und dann der krönende Abschluss.
Das muss heftig sein,wenn man urplötzlich die Handtasche weggerissen bekommt.
Und Grete lenkt für sich gleich wieder ein, ganz im Stillen, denkt, dass es eine Geschichte hinter der Geschichte gibt.
Hätte sie das auch gedacht, wenn ein fies aussehender Typ die Handtasche an sich gerissen hätte? Ich denke, es gibt immer eine Geschichte und man kann Gründe suchen.
Klar,das junge Mädchen kann in Not gewesen sein, aber auch zu einer Bande gehört haben, die Kinder losschicken und denen das extra antrainiert haben.
Grete wird es vermutlich nicht rausbekommen, was der Hintergrund ist.
Ich denke aber,für einen selber ist es vielleicht leichter zu ertragen, wenn man nicht das Schlechteste annimmt.
Gut, dass Tante Heidi den größten Schock überwunden hat und gut, dass Frau Korters da war (zum Reden, das hilft beim Abreagieren).
Lieben Gruß
Enya
Das mit den Banden finde ich besonders schlimm. Die Kinder werden regelrecht missbraucht.
LöschenDank an dich
Gruß vonner Grete