Von positiver Energie und Verdrängungstaktik
Kaum zuhause heute, setzte
sich das Fräulein Grete Meier an ihren Computer. Sie musste es sich einfach nochmal in Ruhe
ansehen. Das Video von der tanzenden Frau im Operationssaal. Susi hatte es in der
Frühstückspause auf ihrem iPhone herumgezeigt. Und der Grete ist es den ganzen
Tag nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Hat sich eingenistet wie ein kleiner
Parasit. Allerdings im positiven Sinne. So wirkte es nämlich auch auf die Grete.
Positiv. Obwohl mit einem weniger schönen Hintergrund behaftet. Eine Frau legt
zusammen mit Krankenschwestern und Ärzten eine flotte Sohle aufs Parkett. Im
Operationssaal. Kurz vor ihrer eigenen Operation, bei der man ihr die Brüste
amputieren würde. Diagnose Brustkrebs. Grete konnte nur staunen. So fröhlich
sah die Frau aus. Als ob sie, frisch verliebt, über eine Blumenwiese tanzen
würde. Mit einem Flechtkranz aus Gänseblümchen im Haar und nicht, wie im Video
zu sehen, mit einer Operationshaube auf dem Kopf. Keine Spur von Krankheit oder
Hoffnungslosigkeit. Einfach nur pure Lebensfreude. Und Kraft.
Das Video strahlte so viel
positive Energie aus. Grete kam nicht umhin, diese Energie aufzunehmen. Sie
fühlte förmlich, wie sie sich in ihr ausbreitete. Ihre Rückenschmerzen
verschwanden, der Muskelkater nahm Reißaus und der Bürostress löste sich in
Luft auf. Tiefe Bewunderung für die Patientin ergriff die Grete. Ob ich das
auch könnte, fragte sie sich. So eine schwere Krankheit mit dieser Leichtigkeit
tragen? Sie war sich da nicht sicher. Sicher, das Fräulein Grete Meier gehörte
nicht in die Kategorie Jammerliese. Aber allein der Gedanke ihre Brüste zu
verlieren, machte ihr Angst.
Mehrfach hat man ja schon
lesen können, dass sich Frauen als reine Vorsichtsmaßnahme ihre Brüste
entfernen lassen. Weil es in der Familiengeschichte Brustkrebserkrankungen
gegeben hat und man bei ihnen so ein Gen nachgewiesen hat, welches anzeigt,
dass sie zu einer Risikogruppe gehören. Grete findet das ziemlich mutig. Sie
selber, da ist sie ganz sicher, würde das nicht machen. Noch nicht mal so eine
Genuntersuchung. "Was ich nicht weiß …", sagt sie immer. Zur
Krebsvorsorge geht sie allerdings regelmäßig. Denn, auch wenn sie nicht gerne
davon spricht, verschont geblieben ist die Grete nicht von der Geißel Krebs. Die
Vorsorge hat sie damals gerettet. Chemo war nicht nötig und auch keine
Bestrahlung. Stoisch und nach außen hin vollkommen ruhig, hat sie die Operation
über sich ergehen lassen. Die Konsequenz daraus, dass sie nie Kinder haben
wird, hat sie mit sich selber ausgemacht und sich damit arrangiert. So richtig
Angst gehabt hat sie damals eigentlich weniger. Irgendwie hatte sie im Gefühl
gehabt, dass alles gut gehen wird. Und damit recht behalten. Zurückblickend
meint die Grete ja, dass dieses Verdrängungstaktik gut für sie gewesen ist.
"Heulend in der Ecke sitzen", hat sie erst neulich zum Lieschen
gesagt, "bringt es doch auch nicht!"
Von der OP ist nicht mehr
übriggeblieben als eine lange Narbe. Grete sieht sie schon gar nicht mehr. Sie
gehört einfach zu ihr. Aber keine Brust
mehr? Das kann die Grete sich nicht vorstellen. Brüste werden überbewertet,
liest die Grete hin und wieder mal. Es geht auch ohne. Und man kann da doch heutzutage so viel machen,
mit plastischer Chirurgie. Ja, natürlich, kann man. Die Grete weiß das, und
trotzdem …
Denn da wäre ja noch das
Gefühl keine richtige Frau mehr zu sein. Denn Brust und Frau, das gehört doch
einfach zusammen. Oder nicht? Kann man sich davon frei machen? Schaut man sich
in den Medien um, lebt die gesamte Werbeindustrie doch genau davon. Von
Frauenbrüsten. "Aber auch von falschen Grete", dachte sie laut. "Je
mehr Silikon, desto besser!"
Na, ob das man besser is, sei
mal dahingestellt, sinnierte sie weiter. Gesund ist es auf jeden Fall nicht.
Brustkrebs aber auch nicht. Da ist Silikon wahrscheinlich das kleinere Übel. Grete
spulte das Video nochmal ab. Ob das die richtige Methode ist mit dieser
Krankheit und der Konsequenz daraus, fertig zu werden, dem Krebs praktisch mit
Lachen und Leichtigkeit zu begegnen, weiß die Grete nicht. Für diese Frau ist
es wohl der richtige Weg. Grete zündete sich eine Zigarette an. Im Wohnzimmer.
Mit Herrn Heinevetter mochte sie darüber nicht sprechen. Aber mit Lieschen. Die
würde vielleicht eine Antwort haben. Zumindest eine Meinung zu diesem Thema. Und
die, wollte sie jetzt unbedingt hören. Also griff sie zum Telefon.
Was Lieschen davon hält könnt ihr hier nachlesen ---> KLICK
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Super, jetzt ist mein Kommentar weg. Ich weiß nicht, ob ich das alles jetzt noch mal schreiben soll.
AntwortenLöschenWas ich sagen wollte noch mal in Kurzform:
Das sind interessante Gedanken und Feststellungen, schwierige Erfahrungen obendrein.
Wie Grete kann ich nicht sagen, welche Methode die richtige ist, mit so einer Krankheit umzugehen. Gibt es überhaupt eine Methode?
Muss nicht jeder den richtigen Weg für sich finden.
Ich denke, das ist wie mit anderen Problemen auch. jeder geht sie anders an.
Verdrängen, Kämpfen, Resignieren, Leugnen, ja sogar ein freudiges Begrüßen...alles scheint möglich.
Tanzen im OP - das kann ich mir nur vorstellen, wenn es aus dem menschen selbst herauskommt und nicht erzwungen wird.
Vorsorglich die Brust abnehmen lassen, das käme für mich nicht in Frage, wenn ich noch gar nicht krank bin.
Frau und Brust -gehört das zusammen?
Sicher, denn die Brust ist ja Sinnbild der Weiblichkeit.
Aber ich frage mal so: Wie sieht das mit dem Menschen aus - ohne Rücksicht auf das Geschlecht? Wenn man dem menschen nun Arm, Bein usw abnehmen würde, wäre er dann kein Mensch mehr?
Die Forschung kommt bestimmt noch dahin, auch hier Dispositionen für Krankheiten voraussagen zu können. Und was machen wir dann?
Ich versuche nur, es aus verschiedenen Winkeln zu betrachten.
Vielleicht hat es am meisten mit der lebenseinstellung zu tun, die wir haben, wie wir mit so was umgehen.
Für mich ist Gesundheit nicht nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern weitaus mehr...eine aktive Auseinandersetzung mit mir selbst, egal ob und welches Körperteil erkrankt ist.
Grete hat für sich einen guten, richtigen Weg gefunden und das macht mich froh.
Vielleicht hat Lieschen ja Antworten und noch andere Gedanken.
Wir alle haben wohl ein wenig verlernt mit Krankheit umzugehen in unserer Gesellschaft.
Eine gute Nacht und ein schönes Wochenende
Enya
Hallo Grete,
AntwortenLöschenschwieriges Thema, in das ich mich als Mann logischerweise kaum hineindenken kann. Bei dem Video mit dem Tanz im OP-Saal habe ich spontan gedacht: typisch Rheinländer. "Et kütt wie et kütt" ... Meine Mutter ist beispielsweise eine solche rheinische Frohnatur, die alles mit Humor nimmt, immer fröhlich ist, wenig Kummer kennt und eine wahnsinnige Lebensfreude hat. Obschon meine Mutter keinen Brustkrebs hat, würde eine solche Lebenseinstellung zu dem Tanz im OP-Saal passen.
Gruß Dieter