Das Fräulein Grete Meier und der Ramadan

Das Fräulein Grete Meier und der Ramadan

Schon letzte Woche hatte sich das Fräulein Grete Meier gewundert, warum es in der Frühstückspause merklich ruhiger war als üblich. Heute ist ihr dann aufgefallen, dass ihr Kollege Aydogan ( man spricht es Eidoan aus ) nicht in der Küche auftauchte. Eido, so nennen ihn alle, ist Leiter der Warenausgabe und erst seit einem halben Jahr in der Firma. So ein richtiger Jungspund. Aber der hat es drauf, sagt die Grete immer. Noch nicht ganz trocken hinter den Ohren, aber der kann was. Eido hat immer coole Sprüche drauf und unterhält in den Pausen die gesamte Belegschaft. Alle Frauen mögen ihn. Auch die Grete. Selbst die über 80-jährige Mutter vom Chef schwärmt von ihm in den höchsten Tönen. Eido ist zu ihr aber auch immer besonders nett. Sobald er sie sieht lässt er alles stehen, nur um ihr formvollendet die Hand zu küssen. Was für ein gewitzter Charmeur. Grete muss immer lachen, wenn sie ihn so in Action sieht. Na, jedenfalls war er heute nicht da.

„Der hat doch Ramadan“, wurde sie von der Susi belehrt. „ Da darfste nix essen und nix trinken. Und mit Sex is auch nix. Stell dir das mal vor!“  Ob sich das Fräulein Grete Meier den letzten Teil vorstellen wollte/konnte oder lieber nicht, bleibt in den Sternen. Aber den ganzen Tag nichts essen und auch nichts trinken, das beschäftigte die Grete nun doch. Susi berichtete ihr dann noch, dass der Eido während der Ramadanzeit immer in seinem Büro bleiben will in den Pausen. Der arme Kerl würde sonst ja noch mehr leiden, wenn er zusehen muss, wie wir alle essen und trinken.

Susi kann ja richtig Mitleid haben. Öfter mal was Neues, dachte die Grete. Also doch nicht immer nur Mode und Schnick-Schnack  im Kopf. Die Grete stellte ihre Kaffeetasse ab und ging schnurstracks in die Warenausgabe. Dort fand sie dann Eido. Er hatte sich mit einem Buch in sein Büro zurückgezogen. Ein Glaskasten mitten in der Halle. Jetzt gab es für das Fräulein Grete Meier kein Halten mehr. Alles, aber auch alles musste der Eido ihr über den Ramadan erzählen. So erfuhr die Grete, dass Eido nach Sonnenuntergang soviel essen und trinken darf wie er mag. Und dass Eido während der Fastenzeit jeden Morgen um vier aufsteht, um zu frühstücken. Da war die Grete aber beruhigt. Dachte sie doch schon, dass Eido verhungern könnte. Immerhin, dass ganze geht ja einen Monat. Eido erklärte ihr auch, dass Kranke und Schwangere an der ganzen Fasterei nicht teilnehmen. Und kleine Kinder auch nicht. Und dass jeder Moslem das selber für sich entscheiden muss. Aber, sagte er, die meisten die er kennt, halten sich an die Regeln des Ramadan. Das Fräulein Grete Meier fand das alles nun nicht mehr so schlimm. Vor allem das Zuckerfest, was zum Abschluss des Ramadan gefeiert wird, faszinierte sie. Denn für türkische Süßwaren lässt die Grete sogar Sahnekuchen sausen.

Nun verstand die Grete, warum Eido sich nicht nur in den Pausen zurückzieht, sondern auch im Allgemeinen ziemlich ruhig war. Lachen ist gesund, Späße machen auch, kostet aber Energie. Und die braucht der Eido um weiter seine Arbeit richtig und gut zu machen. Nicht auszudenken, wenn die Lieferungen fehlerhaft wären. Hallo! Stell dir mal vor du bestellst eine türkische Pizza und kriegst zehn geliefert, nur weil so ein türkischer Pizzabäcker mitten im Ramadan den ganzen Tag mit den Kunden Scherze treibt!

Nene, so war es dann schon gut. Ein paar Wochen ohne die Witze vom Eido, das würde die Grete schon aushalten.

Zufrieden mit sich und der Welt, und weil sie wieder was gelernt hatte, ging das Fräulein Grete Meier wieder in ihr Vorzimmer zurück. Toll, dass der Eido ihr alles so gut erklärt hat. Nur die Sache mit dem Sex, da hat sich die Grete dann doch nicht getraut zu fragen. Aber vielleicht weiß das ja das Lieschen.