Sonntag, 15. September 2013

Wenn Grete eine Reise tut ...



Wenn Grete eine Reise tut ...

Völlig erschöpft und doch hochzufrieden stieg das Fräulein Grete Meier aus dem Taxi. Das blieb natürlich nicht unbeobachtet. Noch ehe die Grete den Taxifahrer bezahlt hatte, stand der Herr Heinevetter schon in der Haustür. "Wartense, ich helf ihnen mit den Koffern Frau Meier, die sind doch viel zu schwer!" Der Grete war das nur allzu recht. Über neun Stunden war sie unterwegs gewesen und rechtschaffend müde. Also drückte sie dem Herrn Heinevetter den Koffer in die Hand, nahm selber die Reisetasche und stapfte hinter ihm her in ihre Wohnung. Durch die offene Tür drang köstlicher Kaffeeduft. "Hab mir mal erlaubt, eine Kanne aufzusetzen. Den könnense doch sicher gebrauchen." Und ob die Grete den gebrauchen konnte. Die völlig überteuerte Plörre im Zug war nämlich ungenießbar gewesen. Zu stark und fast kalt. "Ehrlich Herr Heinevetter, da muss die Bahn dringend mal nachbessern. Ist doch nicht so schwer einen anständigen Kaffe zu kochen. Das kriegen ja selbst sie hin!" Herr Heinevetter wurde sogleich zwei Köpfe größer.

Die Grete verfrachtete Koffer und Tasche ins Schlafzimmer und setzte sich zu Herrn Heinevetter an den Küchentisch. Der so richtig schön gedeckt war. Also schön im Sinne von Herrn Heinevetter. Rotes Häkeldeckchen (wahrscheinlich noch von seiner verstorbenen Frau), dazu Gretes grüne Jumbokaffeetassen, die stilvoll auf einer lilafarbenen Serviette standen. Und mitten auf dem Tisch prangte ein brauner Übertopf mit einem blauen Stiefmütterchen. Die Grete war ganz gerührt. Der Kaffee war schnell eingegossen und die Grete begann überaus geduldig, alle Fragen bezüglich des Urlaubes, die Herrn Heinevetter so nach und nach einfielen, zu beantworten. Und dabei geriet sie so richtig ins Schwärmen. Angefangen von dem tollen Wetter, nicht zu heiß und kein Regen, über das wirklich schöne Hotel, die einmalige Aussicht auf den Chiemsee, den Besuch der Fraueninsel und die Schiffstour über den See, bis hin zu einer kleinen Bergwanderung auf den Wendelstein. "Da sind wir dann allerdings die Hauptstrecke  mit der Wendelsteinbahn hochgefahren. Die Berta hat es nicht so mit wandern. Einen Ausblick hat man da. Wirklich Herr Heinevetter, das hätten sie sehen müssen! Morgen lasse ich gleich die Fotos entwickeln."

Gretes Augen leuchteten richtig bei der Erinnerung daran. "War wirklich alles super, nur die Rückfahrt war totaler Mist. Beinahe hätten wir nämlich in München den Anschlusszug verpasst."

"Jaja, die Bahn", unterbrach sie der Herr Heinevetter. "War mal wieder nicht pünktlich, oder?"

Jetzt lachte die Grete. "Die war pünktlich, aber wir nicht!" Verständnislos schaute der Herr Heinevetter die Grete an. Die goss sich aber erst noch in aller Ruhe eine zweite Tasse Kaffee ein, bevor sie ihm erzählte was alles in München passiert war.

Eine dreiviertel Stunde Pause hatten sie gehabt, die Grete und die Berta. Zeit genug um das stille Örtchen aufzusuchen und schnell noch eine Zeitschrift zu kaufen. Doch zu Letzterem kam es nicht mehr. Die Grete ging zuerst durch die Schranke, die in den Sanitärbereich führte, während die Berta beim Gepäck blieb. Nach fünf Minuten kam die Grete wieder zurück und Berta passierte die Schranke. Verschwand um eine Ecke und kam und kam nicht wieder. Nach fünfzehn Minuten wurde es der Grete zu bunt. Kurzentschlossen bat sie ein älteres Ehepaar auf die Koffer und Taschen acht zu geben, zog sich ein weiteres Mal ein Ticket und hastete in den Damensanitärbereich. Dort hatte sich schon eine Traube Frauen vor einer geschlossenen Kabinentür gebildet. Allen voran die Hüterin des Sanitärbereiches, die heftig an der Tür rüttelte. Grete ahnte bereits und drängelte sich vor. Und in der Tat, ihre Ahnung hatte sie nicht getrogen.  Berta, die der Stimme nach zu urteilen in heller Aufregung war, bekam die Türe nicht mehr auf. Jetzt war guter Rat teuer. Die Zeiger auf Gretes Armbanduhr glitten unaufhaltsam vorwärts. Berta rüttelte von innen, die Hüterin des Bereiches mit hochrotem Kopf von außen. Die Frauen drum herum diskutierten heftig, ihre Stimmen und die Ratschläge überschlugen sich. Und die Uhr tickte. Grete wurde es zu bunt. "Ruhe, jetzt seid doch alle mal ruhig. Gibt es denn hier keinen Hausmeister oder sowas?"

Schlagartig wurde es still um die Grete. Selbst die Berta gab, außer einem kleinen Schluchzen, keinen Piep mehr von sich. Die Hüterin des Bereiches drehte sich zu Grete um. "Hausmeister? Was sein das?" Na, das konnte ja heiter werden. "Haben sie wenigstens einen Notschlüssel oder irgendetwas um die Tür von außen zu öffnen. Das ist doch Pflicht!"

Die arme Frau schüttelte nur mit dem Kopf. "Notschlüsseln, was sein das?"

Das Fräulein Grete Meier gab es auf. "Berta, Berta steig mal auf das Klo!" Mit einem schnellen Blick hatte die Grete nämlich erkannt, dass von den Seitenwänden bis zur eigentlichen Raumdecke genügend Platz war. Sie zog zwei junge Frauen in die Kabine nebenan. Auf Gretes Geheiß versuchte Berta über die Seitenwand in die benachbarte Kabine zu klettern. Was dann nach einigen Anläufen auch gelang. Grete und die zwei Frauen halfen ihr so gut es eben ging dabei. Berta schniefte und sah ganz verheult aus. Aber Grete ließ ihr keine Zeit zu verschnaufen. Ab nach draußen, das Gepäck geschnappt und im Eilschritt zum Gleis. Gerade noch rechtzeitig hatten sie es dann in den Zug geschafft.

Während die Grete das alles dem Herrn Heinevetter erzählte, lachte sie sich halb kaputt. So, jetzt in der Erinnerung, war es ja auch eine lustige Begebenheit. Berta wird das bestimmt am Montag im Büro genauso sehen. Fürs erste war die allerdings bedient. Kein Wort hat sie mehr mit der Grete gewechselt. Die ganze Zugfahrt nicht. Nur böse geguckt. "Und nur, Herr Heinevetter, nur weil bei der Aktion ihr Rock zerrissen ist und die fremden Frauen, die geholfen haben, ihren Schlüpfer sehen konnten. Rosa mit Blümchen, Herr Heinevetter. Rosa!"



Ob Lieschen auch schon was dazu gesagt hat? Schaut einfach nach ---> KLICK

8 Kommentare:

  1. Ach Frl. Grete, was haben sie mir gefehlt.
    Herrlich dieser Reisebericht. Und dann die rosa
    Unterhose - und auch noch mit Blümchen. Ne, ne, ne. Aber es ist doch schön von Herrn Heinevetter,
    dass er den Tisch so toll gedeckt hat. Und dann das Farbenspiel.
    Einen schönen Sonntagabend wünscht dir
    Irmi

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    1. Hallo Irmi, schön wenn man vermisst wird und auch nicht vergessen. Ja, der Herr Heinevetter ist schon ein Guter. Dir einen schönen Montag.
      Gruß vonner Grete

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  2. Wie schön, dass Fräulein Grete wieder da ist. Auch ich habe sie vermisst.
    Besonders freut es mich, dass die paar Tage auch so waren, wie ein Kurzurlaub sein sollte. Das hat sicher gut getan.
    Natürlich hat Grete auch wieder eines ihrer Ereignisse mitgebracht, die so "am Rande" passieren.
    Im Nachhinein lustig, allein sich vorzustellen, wie die arme Berta geklettert ist und ihren rosa-geblümten Schlüppfer präsentiert hat.
    Allerdings wird es Berta nicht so lustig empfunden haben. Warum sie aber nachher so .... na ja, irgendwie "angefressen" ist,das verstehe ich nicht.
    Grete hat mal wieder bewiesen, dass sie Ideen hat und diese auch in die Tat umsetzen kann.
    Oder wollte die Berta vielleicht in der Toilette eingesperrt bleiben und den Zug verpassen? Sicher nicht.
    Dass die Bahn ausnahmsweise mal keine Verspätung hatte, nehme ich mal als gutes Omen. Ich kenne es fast nur anders. Da kann man normalerweise fünfmal auf Toilette gehen vor einer Bahnreise und würde seinen Zug dennoch bekommen.
    Nun ist Grete wieder glücklich daheim.
    Wie gut, dass Herr Heinevetter daran gedacht hat, dass sie vielleicht ein bisschen müde sein könnte - nach der langen Reise.
    Gefällt mir. Wer schaut da schon nach optimaler Farbzusammenstellung des Tischdekors?

    Lieben Gruß
    Enya

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    1. Hallo Enya, die Grete schaut bestimmt nich danach. Die war seelig über den kaffee. Danke dir.
      Gruß vonner Grete

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  3. Hallo Grete,
    das mit der Klotüre war ja dramatisch ... der wunderschöne Urlaub tritt da beinahe in den Hintergrund. Wir waren noch nie am Chiemsee; hört sich hoch interessant an.

    Gruß Dieter

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    1. Der Chiemsee ist wunderschön. Auch die gesamte Umgebung. Eine Reise lohnt sich auf jeden Fall.
      Grußvonner grete

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  4. Ohje, die arme Berta! Ich wär da drinnen wahrscheinlich auch ziemlich panisch geworden - dann aber wohl genauso einfach drüberher geklettert.
    Liebe Grüße
    Christiane

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    1. Danke dir für dein Mitleid. Werde es an Berta weiterreichen.
      Gruß vonner Grete

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Da freut sich die Grete aber, dass du was zu sagen hast ...