Wenn Grete eine Reise tut ...
Völlig erschöpft und doch hochzufrieden
stieg das Fräulein Grete Meier aus dem Taxi. Das blieb natürlich nicht
unbeobachtet. Noch ehe die Grete den Taxifahrer bezahlt hatte, stand der Herr
Heinevetter schon in der Haustür. "Wartense, ich helf ihnen mit den
Koffern Frau Meier, die sind doch viel zu schwer!" Der Grete war das nur
allzu recht. Über neun Stunden war sie unterwegs gewesen und rechtschaffend
müde. Also drückte sie dem Herrn Heinevetter den Koffer in die Hand, nahm
selber die Reisetasche und stapfte hinter ihm her in ihre Wohnung. Durch die
offene Tür drang köstlicher Kaffeeduft. "Hab mir mal erlaubt, eine Kanne
aufzusetzen. Den könnense doch sicher gebrauchen." Und ob die Grete den
gebrauchen konnte. Die völlig überteuerte Plörre im Zug war nämlich ungenießbar
gewesen. Zu stark und fast kalt. "Ehrlich Herr Heinevetter, da muss die
Bahn dringend mal nachbessern. Ist doch nicht so schwer einen anständigen Kaffe
zu kochen. Das kriegen ja selbst sie hin!" Herr Heinevetter wurde sogleich
zwei Köpfe größer.
Die Grete verfrachtete Koffer
und Tasche ins Schlafzimmer und setzte sich zu Herrn Heinevetter an den Küchentisch.
Der so richtig schön gedeckt war. Also schön im Sinne von Herrn Heinevetter. Rotes
Häkeldeckchen (wahrscheinlich noch von seiner verstorbenen Frau), dazu Gretes
grüne Jumbokaffeetassen, die stilvoll auf einer lilafarbenen Serviette standen.
Und mitten auf dem Tisch prangte ein brauner Übertopf mit einem blauen
Stiefmütterchen. Die Grete war ganz gerührt. Der Kaffee war schnell eingegossen
und die Grete begann überaus geduldig, alle Fragen bezüglich des Urlaubes, die
Herrn Heinevetter so nach und nach einfielen, zu beantworten. Und dabei geriet
sie so richtig ins Schwärmen. Angefangen von dem tollen Wetter, nicht zu heiß
und kein Regen, über das wirklich schöne Hotel, die einmalige Aussicht auf den
Chiemsee, den Besuch der Fraueninsel und die Schiffstour über den See, bis hin zu
einer kleinen Bergwanderung auf den Wendelstein. "Da sind wir dann
allerdings die Hauptstrecke mit der Wendelsteinbahn
hochgefahren. Die Berta hat es nicht so mit wandern. Einen Ausblick hat man da.
Wirklich Herr Heinevetter, das hätten sie sehen müssen! Morgen lasse ich gleich
die Fotos entwickeln."
Gretes Augen leuchteten richtig
bei der Erinnerung daran. "War wirklich alles super, nur die Rückfahrt war
totaler Mist. Beinahe hätten wir nämlich in München den Anschlusszug verpasst."
"Jaja, die Bahn", unterbrach
sie der Herr Heinevetter. "War mal wieder nicht pünktlich, oder?"
Jetzt lachte die Grete.
"Die war pünktlich, aber wir nicht!" Verständnislos schaute der Herr Heinevetter
die Grete an. Die goss sich aber erst noch in aller Ruhe eine zweite Tasse
Kaffee ein, bevor sie ihm erzählte was alles in München passiert war.
Eine dreiviertel Stunde Pause
hatten sie gehabt, die Grete und die Berta. Zeit genug um das stille Örtchen
aufzusuchen und schnell noch eine Zeitschrift zu kaufen. Doch zu Letzterem kam
es nicht mehr. Die Grete ging zuerst durch die Schranke, die in den
Sanitärbereich führte, während die Berta beim Gepäck blieb. Nach fünf Minuten
kam die Grete wieder zurück und Berta passierte die Schranke. Verschwand um
eine Ecke und kam und kam nicht wieder. Nach fünfzehn Minuten wurde es der
Grete zu bunt. Kurzentschlossen bat sie ein älteres Ehepaar auf die Koffer und
Taschen acht zu geben, zog sich ein weiteres Mal ein Ticket und hastete in den
Damensanitärbereich. Dort hatte sich schon eine Traube Frauen vor einer
geschlossenen Kabinentür gebildet. Allen voran die Hüterin des Sanitärbereiches,
die heftig an der Tür rüttelte. Grete ahnte bereits und drängelte sich vor. Und
in der Tat, ihre Ahnung hatte sie nicht getrogen. Berta, die der Stimme nach zu urteilen in
heller Aufregung war, bekam die Türe nicht mehr auf. Jetzt war guter Rat teuer.
Die Zeiger auf Gretes Armbanduhr glitten unaufhaltsam vorwärts. Berta rüttelte
von innen, die Hüterin des Bereiches mit hochrotem Kopf von außen. Die Frauen
drum herum diskutierten heftig, ihre Stimmen und die Ratschläge überschlugen
sich. Und die Uhr tickte. Grete wurde es zu bunt. "Ruhe, jetzt seid doch
alle mal ruhig. Gibt es denn hier keinen Hausmeister oder sowas?"
Schlagartig wurde es still um
die Grete. Selbst die Berta gab, außer einem kleinen Schluchzen, keinen Piep mehr
von sich. Die Hüterin des Bereiches drehte sich zu Grete um. "Hausmeister?
Was sein das?" Na, das konnte ja heiter werden. "Haben sie wenigstens
einen Notschlüssel oder irgendetwas um die Tür von außen zu öffnen. Das ist
doch Pflicht!"
Die arme Frau schüttelte nur
mit dem Kopf. "Notschlüsseln, was sein das?"
Das Fräulein Grete Meier gab
es auf. "Berta, Berta steig mal auf das Klo!" Mit einem schnellen
Blick hatte die Grete nämlich erkannt, dass von den Seitenwänden bis zur
eigentlichen Raumdecke genügend Platz war. Sie zog zwei junge Frauen in die
Kabine nebenan. Auf Gretes Geheiß versuchte Berta über die Seitenwand in die benachbarte
Kabine zu klettern. Was dann nach einigen Anläufen auch gelang. Grete und die
zwei Frauen halfen ihr so gut es eben ging dabei. Berta schniefte und sah ganz
verheult aus. Aber Grete ließ ihr keine Zeit zu verschnaufen. Ab nach draußen,
das Gepäck geschnappt und im Eilschritt zum Gleis. Gerade noch rechtzeitig
hatten sie es dann in den Zug geschafft.
Während die Grete das alles
dem Herrn Heinevetter erzählte, lachte sie sich halb kaputt. So, jetzt in der
Erinnerung, war es ja auch eine lustige Begebenheit. Berta wird das bestimmt am
Montag im Büro genauso sehen. Fürs erste war die allerdings bedient. Kein Wort
hat sie mehr mit der Grete gewechselt. Die ganze Zugfahrt nicht. Nur böse
geguckt. "Und nur, Herr Heinevetter, nur weil bei der Aktion ihr Rock
zerrissen ist und die fremden Frauen, die geholfen haben, ihren Schlüpfer sehen
konnten. Rosa mit Blümchen, Herr Heinevetter. Rosa!"
Ob Lieschen auch schon was dazu gesagt hat? Schaut einfach nach ---> KLICK
Ach Frl. Grete, was haben sie mir gefehlt.
AntwortenLöschenHerrlich dieser Reisebericht. Und dann die rosa
Unterhose - und auch noch mit Blümchen. Ne, ne, ne. Aber es ist doch schön von Herrn Heinevetter,
dass er den Tisch so toll gedeckt hat. Und dann das Farbenspiel.
Einen schönen Sonntagabend wünscht dir
Irmi
Hallo Irmi, schön wenn man vermisst wird und auch nicht vergessen. Ja, der Herr Heinevetter ist schon ein Guter. Dir einen schönen Montag.
LöschenGruß vonner Grete
Wie schön, dass Fräulein Grete wieder da ist. Auch ich habe sie vermisst.
AntwortenLöschenBesonders freut es mich, dass die paar Tage auch so waren, wie ein Kurzurlaub sein sollte. Das hat sicher gut getan.
Natürlich hat Grete auch wieder eines ihrer Ereignisse mitgebracht, die so "am Rande" passieren.
Im Nachhinein lustig, allein sich vorzustellen, wie die arme Berta geklettert ist und ihren rosa-geblümten Schlüppfer präsentiert hat.
Allerdings wird es Berta nicht so lustig empfunden haben. Warum sie aber nachher so .... na ja, irgendwie "angefressen" ist,das verstehe ich nicht.
Grete hat mal wieder bewiesen, dass sie Ideen hat und diese auch in die Tat umsetzen kann.
Oder wollte die Berta vielleicht in der Toilette eingesperrt bleiben und den Zug verpassen? Sicher nicht.
Dass die Bahn ausnahmsweise mal keine Verspätung hatte, nehme ich mal als gutes Omen. Ich kenne es fast nur anders. Da kann man normalerweise fünfmal auf Toilette gehen vor einer Bahnreise und würde seinen Zug dennoch bekommen.
Nun ist Grete wieder glücklich daheim.
Wie gut, dass Herr Heinevetter daran gedacht hat, dass sie vielleicht ein bisschen müde sein könnte - nach der langen Reise.
Gefällt mir. Wer schaut da schon nach optimaler Farbzusammenstellung des Tischdekors?
Lieben Gruß
Enya
Hallo Enya, die Grete schaut bestimmt nich danach. Die war seelig über den kaffee. Danke dir.
LöschenGruß vonner Grete
Hallo Grete,
AntwortenLöschendas mit der Klotüre war ja dramatisch ... der wunderschöne Urlaub tritt da beinahe in den Hintergrund. Wir waren noch nie am Chiemsee; hört sich hoch interessant an.
Gruß Dieter
Der Chiemsee ist wunderschön. Auch die gesamte Umgebung. Eine Reise lohnt sich auf jeden Fall.
LöschenGrußvonner grete
Ohje, die arme Berta! Ich wär da drinnen wahrscheinlich auch ziemlich panisch geworden - dann aber wohl genauso einfach drüberher geklettert.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Christiane
Danke dir für dein Mitleid. Werde es an Berta weiterreichen.
LöschenGruß vonner Grete