Das Fräulein Grete Meier und Zombieaugen
Auf dem Weg zum Autochen hat
das Fräulein Grete Meier heute Morgen den Klaus Wenig getroffen. Zumindest
jemandem der ihm irgendwie ählich sah. Denn erst nachdem der Herr Wenig der
Grete ein mattes "Schönen guten Morgen, Frau Meier", zuwarf, erkannte
sie ihn überhaupt. Sonst ein fröhlicher, aufrecht gehender Mensch, stand vor
der Grete jetzt ein Häufchen Elend mit gebeugten Schultern. "Ja was ist
denn mit Ihnen passiert?"
"Nix Frau Meier, nix. Hab
Vierundzwanzigstundendienst gehabt. Und das seit vierzig Stunden. Brauch jetzt erst
mal eine Mütze Schlaf." Die Grete sah ihm verwundert hinterher. Vierundzwanzigstundendienst
und das seit vierzig Stunden? Gehört hatte sie ja schon davon, dass in vielen
Krankenhäusern die Ärzte, besonders die Assistenzärzte, immens viele
Überstunden machen müssen. Aber so viele? Das ist doch lebensgefährlich. Nicht
nur für die Gesundheit von dem Herrn Wenig, auch für die Patienten. Und dann
fährt der auch noch völlig übermüdet Auto! Ein Schreckenszenario nach dem
anderen stellte sich die Grete auf der Fahrt zum Büro vor. Rechtes Knie
operiert statt dem linken, vergessene Klammern im Bauchraum nach einer Blinddarmoperation,
Herr Wenig mit Kreislaufkollaps auf dem Parkplatz und Augen wie ein Zombie, und
eine Massenkarambolage auf der Autobahnverursacht durch einen Falschfahrer nach
einer 40-Stundenschicht im Krankenhaus. Ebenfalls mit Zombieaugen. Grete wurde
es ganz schlecht.
Im Büro wartete dann ein Schreckensszenario
anderer Art auf die Grete. Ein Mantel
hing an der Garderobe im Vorzimmer. Der Chef war schon im Büro. Vor der Grete.
Das konnte nichts Gutes bedeuten. Das letzte Mal war ein kompletter
Systemabsturz in der Firma die Ursache gewesen. Und das war drei Jahre her. Komisch,
das Auto vom Chef stand doch gar nicht auf dem Parkplatz. Grete stellte ihre
Tasche ab und klopfte vorsichtig an die Bürotür vom Chef. Keine Antwort. Keine
Antwort vom Chef heißt für Grete: Tür aufreißen!
Der Anblick von einem
schnarchenden Chef auf dem Teppich, mit dem Kopf auf seinem Aktenkoffer,
verstörte die Grete. Aber nur für einen kurzen Moment. Resolut packte sie den
Chef an der rechten Schulter und schüttelte ihn kräftig. Alkoholdunst schlug
ihr entgegen. Überhaupt, stank das ganze Büro nach Alkohol. Dass ihr das erst
jetzt aufgefallen war! Der Chef regte sich nach Gretes Attacke, murmelte
unverständliches Zeug, schlug dann aber die Augen auf. Zombieaugen! Grete
fühlte sich verfolgt.
Zwei Tassen Kaffee später war
die Grete im Bilde. Total abgerutscht in irgendeiner Bar war der Chef gestern
Abend. Mit Geschäftspartnern. Und dann hat er sich nicht mehr nach Hause
getraut. Wo genau die Bar war, konnte er der Grete nicht sagen. Nur wo er
seinen Wagen abgestellt hatte. Grete war sichtlich erleichtert, dass der Chef
wenigstens nicht mehr mit dem Auto gefahren ist. In dem Zustand! Wer weiß was
hätte da passieren können! Grete schimpfte und schimpfte. Bis der Chef sich die
Ohren zuhielt. Das passte der Grete nun gar nicht. Sie stoppte ihre
Schimpftirade, zog dem Chef die Hände von den Ohren weg und befahl ihm sich
frischzumachen. Gut, dass die Grete immer frische Sachen für den Chef parat
hielt. Für den Notfall. Also wenn der Chef mal urplötzlich noch zu einem Geschäftsessen
musste und keine Zeit mehr hatte, nach Hause zu fahren um sich umzuziehen. "Nicht,
dass gleich noch einer kommt und sie so sieht. Vorbildfunkton sag ich nur,
Vorbildfunktion!"
Und der Chef spurte. Als Susi
kam, um der Grete guten Morgen zu sagen, wurde sie von ihr aus dem Büro
gescheucht. "Wichtige Konferenz Kindchen. Sag das auch den anderen.
Vorerst keine Störung heute Morgen. Und besorg mal zwei belegte Brötchen für
den Chef!" Mittlerweile sah Gretes Chef wieder einigermaßen manierlich
aus. Grete schenkte ihm noch einen Kaffee ein. " Chef, das Auto hole ich
nachher, sie können noch nicht fahren. Aber was ist mit ihrer Frau? Die ist
doch bestimmt ganz krank vor Sorge. Sie müssen anrufen." Nackte Panik
keimte in den Augen vom Chef auf. "D … d… das … k... kann … ich … nicht",
stotterte er. "Die reißt mir den Kopf ab! Können sie nicht ... ?"
Grete griff zum Telefon und
wählte. " Das eine sag ich ihnen, lügen tu ich nicht!"
Relativ schnell wurde am anderen
Ende abgenommen. Grete legte gleich los. "Morgen Frau Wiegand, hier ist
Grete Meier, ich wollte sie nur beruhigen, ihr Mann …" Weiter kam die
Grete nicht.
"Ach, hamse ihn gefunden?
Total betrunken war der gestern. Hat mich noch aus dem Taxi angerufen, weil er
unsere Adresse nicht mehr wusste. Hab ihm gesagt, er soll das Handy dem
Taxifahrer geben, ich würde die Adresse durchgeben. Hab ich ja dann auch."
Dabei lachte sie in den Telefonhörer. "Ehrlich Frau Meier, so eine Nacht
auf dem harten Boden im Büro tut dem mal ganz gut. Sagense ihm einen schönen
Gruß von mir. Und … diesmal muss er mehr springen lassen, als Blumen. Mindestens
ein Wochenende in Paris. Wir zwei ganz allein. Ohne Handy und Laptop. Suchense
schon mal was Schönes für uns raus." Grete ließ den Hörer sinken. Und
lachte … und lachte …
Der Chef verstand die Welt
nicht mehr und Susi stand sprachlos mit den belegten Brötchen im Türrahmen.
"Komische Konferenz", sagte sie später zu Eido. "Äußerst
merkwürdig. Aber da komm ich noch hinter!"
Was Lieschen zu all dem sagt, erfahrt ihr hier ---> KLICK
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