Montag, 30. September 2013

Das Fräulein Grete Meier und Zombieaugen



Das Fräulein Grete Meier und Zombieaugen

Auf dem Weg zum Autochen hat das Fräulein Grete Meier heute Morgen den Klaus Wenig getroffen. Zumindest jemandem der ihm irgendwie ählich sah. Denn erst nachdem der Herr Wenig der Grete ein mattes "Schönen guten Morgen, Frau Meier", zuwarf, erkannte sie ihn überhaupt. Sonst ein fröhlicher, aufrecht gehender Mensch, stand vor der Grete jetzt ein Häufchen Elend mit gebeugten Schultern. "Ja was ist denn mit Ihnen passiert?"
"Nix Frau Meier, nix. Hab Vierundzwanzigstundendienst gehabt. Und das seit vierzig Stunden. Brauch jetzt erst mal eine Mütze Schlaf." Die Grete sah ihm verwundert hinterher. Vierundzwanzigstundendienst und das seit vierzig Stunden? Gehört hatte sie ja schon davon, dass in vielen Krankenhäusern die Ärzte, besonders die Assistenzärzte, immens viele Überstunden machen müssen. Aber so viele? Das ist doch lebensgefährlich. Nicht nur für die Gesundheit von dem Herrn Wenig, auch für die Patienten. Und dann fährt der auch noch völlig übermüdet Auto! Ein Schreckenszenario nach dem anderen stellte sich die Grete auf der Fahrt zum Büro vor. Rechtes Knie operiert statt dem linken, vergessene Klammern im Bauchraum nach einer Blinddarmoperation, Herr Wenig mit Kreislaufkollaps auf dem Parkplatz und Augen wie ein Zombie, und eine Massenkarambolage auf der Autobahnverursacht durch einen Falschfahrer nach einer 40-Stundenschicht im Krankenhaus. Ebenfalls mit Zombieaugen. Grete wurde es ganz schlecht.
Im Büro wartete dann ein Schreckensszenario anderer Art auf die Grete.  Ein Mantel hing an der Garderobe im Vorzimmer. Der Chef war schon im Büro. Vor der Grete. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Das letzte Mal war ein kompletter Systemabsturz in der Firma die Ursache gewesen. Und das war drei Jahre her. Komisch, das Auto vom Chef stand doch gar nicht auf dem Parkplatz. Grete stellte ihre Tasche ab und klopfte vorsichtig an die Bürotür vom Chef. Keine Antwort. Keine Antwort vom Chef heißt für Grete: Tür aufreißen!
Der Anblick von einem schnarchenden Chef auf dem Teppich, mit dem Kopf auf seinem Aktenkoffer, verstörte die Grete. Aber nur für einen kurzen Moment. Resolut packte sie den Chef an der rechten Schulter und schüttelte ihn kräftig. Alkoholdunst schlug ihr entgegen. Überhaupt, stank das ganze Büro nach Alkohol. Dass ihr das erst jetzt aufgefallen war! Der Chef regte sich nach Gretes Attacke, murmelte unverständliches Zeug, schlug dann aber die Augen auf. Zombieaugen! Grete fühlte sich verfolgt.
Zwei Tassen Kaffee später war die Grete im Bilde. Total abgerutscht in irgendeiner Bar war der Chef gestern Abend. Mit Geschäftspartnern. Und dann hat er sich nicht mehr nach Hause getraut. Wo genau die Bar war, konnte er der Grete nicht sagen. Nur wo er seinen Wagen abgestellt hatte. Grete war sichtlich erleichtert, dass der Chef wenigstens nicht mehr mit dem Auto gefahren ist. In dem Zustand! Wer weiß was hätte da passieren können! Grete schimpfte und schimpfte. Bis der Chef sich die Ohren zuhielt. Das passte der Grete nun gar nicht. Sie stoppte ihre Schimpftirade, zog dem Chef die Hände von den Ohren weg und befahl ihm sich frischzumachen. Gut, dass die Grete immer frische Sachen für den Chef parat hielt. Für den Notfall. Also wenn der Chef mal urplötzlich noch zu einem Geschäftsessen musste und keine Zeit mehr hatte, nach Hause zu fahren um sich umzuziehen. "Nicht, dass gleich noch einer kommt und sie so sieht. Vorbildfunkton sag ich nur, Vorbildfunktion!"
Und der Chef spurte. Als Susi kam, um der Grete guten Morgen zu sagen, wurde sie von ihr aus dem Büro gescheucht. "Wichtige Konferenz Kindchen. Sag das auch den anderen. Vorerst keine Störung heute Morgen. Und besorg mal zwei belegte Brötchen für den Chef!" Mittlerweile sah Gretes Chef wieder einigermaßen manierlich aus. Grete schenkte ihm noch einen Kaffee ein. " Chef, das Auto hole ich nachher, sie können noch nicht fahren. Aber was ist mit ihrer Frau? Die ist doch bestimmt ganz krank vor Sorge. Sie müssen anrufen." Nackte Panik keimte in den Augen vom Chef auf. "D … d… das … k... kann … ich … nicht", stotterte er. "Die reißt mir den Kopf ab! Können sie nicht ... ?"
Grete griff zum Telefon und wählte. " Das eine sag ich ihnen, lügen tu ich nicht!"
Relativ schnell wurde am anderen Ende abgenommen. Grete legte gleich los. "Morgen Frau Wiegand, hier ist Grete Meier, ich wollte sie nur beruhigen, ihr Mann …" Weiter kam die Grete nicht.
"Ach, hamse ihn gefunden? Total betrunken war der gestern. Hat mich noch aus dem Taxi angerufen, weil er unsere Adresse nicht mehr wusste. Hab ihm gesagt, er soll das Handy dem Taxifahrer geben, ich würde die Adresse durchgeben. Hab ich ja dann auch." Dabei lachte sie in den Telefonhörer. "Ehrlich Frau Meier, so eine Nacht auf dem harten Boden im Büro tut dem mal ganz gut. Sagense ihm einen schönen Gruß von mir. Und … diesmal muss er mehr springen lassen, als Blumen. Mindestens ein Wochenende in Paris. Wir zwei ganz allein. Ohne Handy und Laptop. Suchense schon mal was Schönes für uns raus." Grete ließ den Hörer sinken. Und lachte … und lachte …
Der Chef verstand die Welt nicht mehr und Susi stand sprachlos mit den belegten Brötchen im Türrahmen. "Komische Konferenz", sagte sie später zu Eido. "Äußerst merkwürdig. Aber da komm ich noch hinter!"




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Sonntag, 29. September 2013

Das Fräulein Grete Meier und der italienische Möchtegerncharmebolzen



Das Fräulein Grete Meier und der italienische Möchtegerncharmebolzen



Nachdem die Grete heute am späten Vormittag  wieder zurück in ihrer Wohnung war, hat sie sofort das Tanzbein geschwungen. Zu Wolfgang Petry und Roland Kaiser. Putzmusik eben. Putzen war nämlich nötig. Samstag ging ja nicht, weil das Fräulein Grete Meier in aller Frühe schon zu Tante Heidi und Onkel Günther gefahren ist. Mittlerweile war der aus dem Krankenhaus entlassen, mit Gipsbein, und es gab so einiges was die Grete erledigen musste. Einkaufen, Händchenhalten und wohl an die hundert Mal in die Küche laufen und dies und jenes holen. Irgendwann schimpfte dann Tante Heidi. "Nu is aber mal gut, Güntherchen. Lass die Grete mal verschnaufen, sonst kommt die nächste Woche nicht wieder. Alter Knötterich." Das half. Onkel Günther wurde ganz kleinlaut und entschuldigte sich bei der Grete. So verlief dann der Rest des Tages relativ ruhig, wenn man mal davon absah, dass Tante Heidi keine Batterien mehr für ihr Hörgerät hatte. Das machte sich leider erst am Abend bemerkbar, sodass Grete keine Chance mehr hatte neue zu besorgen. Deshalb wurde es dann auch laut zwischendurch, weil Tante Heidi unbedingt den Bohlen sehen wollte. "Grete Kindchen, mach doch mal lauter, ich kann den Dieter gar nicht hören." Grete machte den Fernseher lauter, ließ den Bohlen und Bruce "Ichwolltedochnichtweinen" über sich ergehen und war froh, als sie in ihrem alten Zimmer in ihr Bett sinken konnte. Bepackt mit Tante Heidis Apfelkuchen, den sie unter genauester Beobachtung von ihr gebacken hatte, fuhr sie dann Sonntag nach dem Frühstück Richtung Heimat.

Und genau von diesem Apfelkuchen wollte die Grete sich nach der Putzorgie ein großes Stück gönnen. Also wurde rasch Kaffee gekocht. Mit dampfender Tasse und Kuchenteller machte es sich die Grete auf dem Sofa bequem und klappte ihren Laptop auf. "Shitstorm auf Facebook gegen Berlusconi" war die erste Schlagzeile, die ihr auf ihrer Onlinezeitungsstartseite entgegensprang.

Der schon wieder, dachte die Grete. Was hat er denn nun wieder angestellt? Dieser Minimöchtegernmacho Mr. "Ichkriegsiealleauchdieangie"! Grete muss sich schon schütteln, wenn sie nur sein Foto sieht. Diese beknackte Sonnenbrille. Versteh einer die Italiener, die den immer noch wählen. Das Fräulein Grete Meier versteht sie jedenfalls nicht.

Dennoch interessiert las die Grete den ganzen Artikel. Da hat doch dieser kleine italienische Giftzwerg seine Minister dazu angestiftet zurückzutreten! Was sind das denn für Weicheier, die sich von so einem was sagen lassen. Ganz Italien ist seitdem in Aufruhr. Ganz Italien? Nein ein kleines Dorf … Nee, das war bei Asterix … und  ja auch umgekehrt. In diesem neuesten Fall scheinen sich ja die Aufständischen in der Überzahl zu befinden. Zumindest wenn man den Facebookeintragungen Glauben schenken kann. Das musste die Grete jetzt aber erst alles überprüfen.

Ein Klick und das Facebookprofil von dem italienischen Schmierenkomödiant poppte auf. Wäre ja jetzt schnell überprüft, was die Zeitungen da alle so schreiben, wenn, ja wenn die Grete Italienisch könnte. Kann sie aber nicht. Doch, wozu gibt es denn dieses schöne blau unterlegte Sätzchen unter jedem Eintrag. ÜBERSETZUNG ANZEIGEN

Beherzt klickte die Grete, unter einem der vielen Kommentare, darauf. Aber wenn Sie nicht mehr diese verdammte Herzschrittmacher, die mindestens zu stoppen, das Italien zu ruinieren. Hmm… nicht sehr aufschlussreich.

Der nächste Klick Aber wenn Sie in dieses Land beigetragen haben ist ruinösen!!! Schon etwas besser.

Und wieder Klick Schäm dich... Sie sind das Übel in diesem Land Das kommt der Sache doch schon näher!

Klick Kommunisten fühle mich stark, weil Silvio wie Frauen tun nicht Trans komunističkiot Häää?

Klick Klick Klick werden Sie jetzt Schuß!!!  Grete gab es auf. Schuß werden? Der hat doch schon einen weg. Also einen Schuss. Und den Knall nicht gehört.

Grete klappte den Laptop wieder zu. Das war ihr alles zu wirr. Marc Zuckerberg sollte mal lieber etwas Geld in eine vernünftige Übersetzungssoftware stecken und nicht ständig irgendwelche Start-Up Unternehmen aufkaufen. Und Berlusconi sollte mal lieber seinen italienischen Arsch hochkriegen und die Kurve kratzen. Aber Grete wollte sich heute nicht aufregen. Also schnappte sie sich eine Zigarette und ging auf den Balkon. Einfach etwas Normalität tanken. "Hamse gestern den Bohlen gesehen, Frau Meier? Dolle Show, sach ich ihnen. Der hat in echt geweint."




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Freitag, 27. September 2013

Das Fräulein Grete Meier hat ungebetenen Besuch



Das Fräulein Grete Meier hat ungebetenen Besuch


Heute Morgen war es da. Direkt nachdem die Grete aufgestanden war. Einfach so. Warum, konnte die Grete nachher noch nicht mal sagen. Sie glaubt ja, dass das niemand sagen kann. Also wenn es unverhofft kommt. Vielleicht hat es ja schon nachts unter Gretes Bett gelauert und nur darauf gewartet bis Gretes Wecker klingelt. Wer weiß das schon. Jedenfalls, kaum hatte die Grete das erste Bein aus dem Bett geschwungen, sprang es sie auch schon an. Das Schlechtelaunetier. So ein richtig mieses kleines Miststück. Krallte sich einfach an der Grete fest und ließ sie nicht mehr los. Im Schlepptau hatte es das kleine Unglück. Auch sie ein fieses Ding. Das löste sofort Chaos im Badezimmer aus, indem es die neue Flasche Duschgel herunterfallen ließ. Natürlich auf die Fliesen. Und natürlich mit dem Specialeffekt, dass die Plastikflasche am Boden aufplatzte und sich das lecker nach Veilchen duftende, lilafarbene Duschgel über den Fliesen verteilte. Was für eine Sauerei am frühen Morgen. Dem Schlechtlaunetier machte es riesigen Spaß der Grete beim Aufwischen zuzusehen. Ein Blick von der Grete aus dem Fenster verhalf dem Tier zu noch mehr Freude. Tristes Grau blinzelte unverschämt durch den Regen der Grete entgegen. Die Grete wollte sich ablenken und schaltete das Radio ein. Nichts. Kein Laut. Die Kaffeemaschine blinkte auch nicht. Grete hat da nämlich ein dolles Ding, mit Zeitschaltuhr. Das kleine Unglück kicherte. So ein Sicherungskasten ist schon was Feines.

Aber Grete wäre nicht Grete, wenn sie das nicht schnell durchschaut hätte. Ein Klick … und alles lief wieder. Und nach fünf Minuten über. Der Kaffeefilter war wohl nicht richtig drin. Das Schlechtelaunetier wurde immer kräftiger. Kein Wunder bei der Menge an Nahrung, die ihm das kleine Unglück lieferte. Für einen neuen Kaffee war keine Zeit mehr. Also schnappte sich die Grete Tasche und Schirm und eilte die Treppe herunter.  Der Schirm ließ sich natürlich nicht öffnen, so sehr die Grete daran auch zog und ruckelte. Grete hastete durch den Regen Richtung Autochen. Das stand allerdings auf der anderen Straßenseite und Grete musste diese erst überqueren. Kein leichtes Unterfangen beim morgendlichen Verkehr. Und ein gefundenes Fressen für das kleine Unglück. Fünf Autos, zwei LKW`s  und einen Bus später saß die Grete endlich in ihrem Autochen. Patschnass. Der Bus hatte die Pfütze am Straßenrand komplett  auf der Grete verteilt. Das Schlechtelaunetier hatte mittlerweile derart von Grete Besitz ergriffen, dass diese vor lauter Wut heulte.

Das war dem kleinen Unglück  nun aber gar nicht recht. Eine heulende Grete kann man nicht mehr ärgern. Die ist dann an einem Punkt, wo nix mehr geht. Also hielt es sich erst mal zurück und verlangte das auch von dem Schlechtelaunetier. Das war aber so in seinem Element, das alles Reden und Betteln nichts nutzte.

Im Büro war noch keiner und die Grete atmete tief durch. Dann reinigte sie ihre Hose und die Jacke so gut es eben ging. Kaffee war auch schnell aufgesetzt. Und diesmal ging auch nichts schief. Grete setzte sich an ihren Schreibtisch und schlug die Zeitung auf. Und das kleine Unglück zu. Der komplette Kaffee ergoss sich über dem Handelsblatt. Jetzt reichte es der Grete. Wutentbrannt brachte sie die Tasse in die Küche und knallte sie in die Spülmaschine. Die natürlich mal wieder total überfüllt war. Na, die anderen können was erleben, wenn sie ins Büro kommen.  Das Handelsblatt landete im Müll. Soll der Chef doch sehen wo er ein neues herkriegt. Dass der Chef nichts für Gretes Tierchen kann und sie selber eigentlich dran gewesen wäre die Spülmasche anzustellen, daran dachte die Grete nicht eine Sekunde. Zu sehr hatte sie das Schlechtelaunetier im Griff. Sie lamentierte und meckerte in einem fort. Den ganzen Vormittag. Dies war ihr nicht recht und das nicht gut genug. Die Kollegen gaben schon bald auf und gingen der Grete lieber aus dem Weg. Sogar der Chef flüchtete gegen zehn aus dem Büro zu Eido in seinen Glaskasten. "Mit der Frau Meier ist heute nicht gut Kirschen essen, der ist irgendeine Laus über die Leber gelaufen!"

Selbst das kleine Unglück zog sich zurück. "Es gibt noch andere Gretes auf dieser Welt!", lachte es und suchte das Weite. Glück für die Grete. Und für die Kollegen. Denn so allmählich merkte die Grete selber, dass das alles nicht so richtig ist, was sie da tut. Sie kochte sich einen "Lieschentee",  suchte in sich einen Grund für die schlechte Laune und fand natürlich nichts. Rein gar nichts. Jetzt war es das Schlechtelaunetier, was vor Wut laut aufkreischte. Denn wenn jemand zu dieser An(Ein)sicht gekommen ist, kann es sich nicht länger festhalten. Es fällt herunter wie eine heiße Kartoffel, die man mit bloßen Händen anfasst. Und plötzlich war die Grete wie befreit. Total losgelöst. Und brachte sofort in Ordnung, was sie verbockt hatte. Sie eilte hinunter zum Kiosk, erstand ein Handelsblatt und holte beim Bäcker Teilchen. Zurück im Büro entschuldigte sie sich zu allererst beim Chef und dann bei den anderen. Was für ein Glück, dass die Grete nette Kollegen hat. Die neckten sie zwar noch für den Rest des Tages, aber waren ihr nicht böse. Schließlich haben sie alle auch mal ab und an das Tierchen zu Gast. Leider!


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Donnerstag, 26. September 2013

Das Fräulein Grete Meier sagt NEIN



Das Fräulein Grete Meier sagt NEIN

Mittwochnachmittag irgendwo in einer Stadt. Genauer gesagt in der Stadt, wo das Fräulein Grete Meier wohnt. Herbstlich sonniges Septemberwetter und eine fröhlich vor sich hin summende Grete (Freude schöner Götter Funken) auf ihrem bunten Fahrrad. Wer gestern kurz vor 15.00 Uhr am Flussufer spazieren ging, hätte der Grete also durchaus begegnen können. Vielleicht hätte der ein oder andere sich ja von ihrer guten Laune anstecken lassen. Die versprühte sie nämlich nicht nur über das Summen, sondern mit einem breiten Grinsen. Von einem Ohr zum anderen. So breit wie es das Summen zuließ. Während die Grete gemütlich strampelte, wippte eine ins Haar gesteckte gelbe Blüte unaufhörlich auf und ab.

Die hatte ihr der Klaus Wenig galant überreicht, der im Vorgarten gerade das Unkraut zupfte, als die Grete das Haus verließ.  "Geht’s zum Mittwochskaffee, Frau Meier? Sie strahlen so."  Aha, da hat wohl der Herr Heinevetter mal wieder aus dem Nähkästchen geplaudert. "Natürlich, Herr Wenig. Wie immer!" Während sie die gelbe Blüte in ihr Haar steckte, erzählte sie Herrn Wenig von ihrer Freundin. Nicht viel. Nur ein bisschen. Vor allem aber, wie viel Spaß sie mit Lieschen hat. Und wie sehr sie sich freut, diese gleich zu sehen. " Na, dann fahrense mal zu. Nicht dass sie noch zu spät kommen!"

Die Grete war pünktlich am Café. Mehr als pünktlich. Fünf Minuten vor der Zeit, ist des Soldaten Pünktlichkeit. Sagt Onkel Günther immer, obwohl er, wie Grete weiß, in seinem ganzen Leben nicht einen Tag gedient hat. Doch auch das Lieschen war überzeitig. Sie saß nämlich schon draußen am Tisch. Das Fräulein Grete Meier hielt inne und betrachtete das Lieschen, wie so da saß und selbstvergessen mit dem Löffel in ihrer Tasse rührte. Ganz bunt war sie wieder angezogen, der weiße Haarschopf leuchtete in der Sonne. Fast als wollte er diese ausstechen. Gerade als es in Gretes Herzgegend  zu ziehen begann, hob das Lieschen den Kopf. Und die Hand. Heftig winkte sie der Grete zu. "Da bist ja endlich!" Das Lieschen lachte und schob die Grete auf einen Stuhl. "Heute gibbet heiße Schokolade und Pflaumenkuchen. Mit extra viel Sahne! Hab auch zwei Decken organisiert, falls es später kühler wird."

Heiße Schokolade! Der Grete lief das Wasser im Mund zusammen. Tolle Idee vom Lieschen. Leider mag die Grete Pflaumenkuchen so rein gar nicht. Jedenfalls nicht so gern. Ist einfach nicht ihr Ding. Aber egal. Sahne drauf und etwas Zucker, das passt schon. Die Grete will das Lieschen ja nicht enttäuschen. Quatsch mit Soße, denkt die Grete und wirft alles über den Haufen. Das Lieschen wäre nicht das Lieschen, wenn sie ihr nicht die Wahrheit sagen könnte. "Das eine Stück ess ich Lieschen, hast ja schon bestellt. Danach nehm ich aber lieber Käse-Sahne. Pflaumenkuchen mag ich nämlich nicht so gern!" Und raus war es. Geht doch, Grete geht doch.

Lieschen hat schon recht, wenn sie ab und an mal mit ihr schimpft. "Immer musst du es allen recht machen, das brauchste doch gar nicht. Denk mal an dich!" Dennoch seufzte die Grete erleichtert, als das Lieschen laut anfing zu lachen. "Und du sagst immer, wir wissen alles von einander! Siehste mal, die Grete entpuppt sich als Pflaumenkuchenverächterin. Das wusste ich nicht! Schieb rüber und bestell dir Käse-Sahne. Ich hab auch Platz für zwei Stücke."

So einfach war es also, einfach mal NEIN zu sagen. Die Grete war ganz begeistert. Natürlich sagt sie auch oft NEIN. Zu der Verkäuferin an der Käsetheke, wenn die mal wieder fragt:  Darfs ein bisschen mehr sein. Zum Chef, wenn der die Grete bittet seine Frau zu belügen, bloß weil er statt mit ihr shoppen zu gehen, lieber Angeln fahren will. Sie sagt NEIN, wenn es um Tierversuche geht und neulich erst, hat sie mit zwei Kreuzchen NEIN zu einer gewissen Frau Merkel gesagt. Auch wenn Letzteres nix genutzt hat. Gesagt hat sie es trotzdem. Früher hat sie auch NEIN gesagt. Zu Drogen.  Aber wenn ihr jemand am Herzen liegt, fällt ihr das schwer. Doch die Grete ist ja lernfähig. Besonders bei einer so guten Lehrerin wie dem Lieschen.

"NEIN, Lieschen, das ess ich jetzt. Bestellt ist bestellt!"




Was das Lieschen von Gretes NEIN hält könnt ihr spätestens Morgen hier lesen  KLICK

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