Von Glamour und fehlender
Hilfsbereitschaft
Dreimal war das Fräulein Grete
Meier nun schon auf dem Balkon gewesen. Kein "Hamse schon gehört",
kein blauer Dunst, ergo – kein Herr Heinevetter. Die Grete machte sich
ernsthaft Sorgen. Um sich abzulenken griff sie zum Telefon und wählte Lieschens
Nummer. Dazu ist sie gestern nämlich nicht mehr gekommen. Koffer auspacken,
Wäschewaschen und was man sonst noch so alles nach einem Urlaub tun muss, hatte
die Grete in Atem gehalten. Gut, dass sie heute Vormittag noch frei gehabt hat.
Die Grete freute sich, Lieschens Stimme zu hören. Die wollte natürlich alles ganz
genau wissen. Ob die Grete denn auch viel an der Luft war und sich auch
wirklich gut erholt hat. Sorgen mache sie sich doch um die Grete. Grete
berichtete ausführlich und konnte das Lieschen einigermaßen beruhigen. Denn
neben vielen Spaziergängen war sie sogar einmal in der Sauna gewesen und
Schwimmen. "Und dein erster Tag im Büro heute, sind sie ohne dich
klargekommen?" Natürlich ist alles glatt gegangen. War ja nur eine Woche,
was sollte denn da schon groß passieren. Klar, der Chef hatte den Namenstag
seiner Frau vergessen, obwohl ihm die Grete noch einen Zettel auf den
Schreibtisch gelegt hatte, und die Susi hatte bei einem Brief an einen
Geschäftsfreund vom Chef die E-Mailadressen verwechselt. "Aber das,
Lieschen, ist erst heute vormittag passiert!"
Als die Grete nämlich gegen
Mittag ins Büro kam, fand sie eine heulende Susi in der Küche vor. Und einen
nicht minder aufgelösten Chef, der vor der Susi stand und die Hände rang. Nach
und nach fand die Grete dann raus, was passiert war. Susi hatte sich wohl
morgens am Bahnhof eine Zeitschrift namens Glamour gekauft. Zusammen mit der
Zeitung gab es eine Shopping-Karte. "Erste Oktoberwoche gültig. Da
kriegste überall Prozente. Bei H&M, bei Douglas und sogar bei Zalando. Und
die Ausgabe ist immer ganz schnell ausverkauft." So genau wollte die Grete
gar nicht wissen, was Susi mit der Karte
alles anstellen konnte. Auf jeden Fall wollte die Susi ihrer Freundin Meggie
per mail mitteilen, dass sie ihr auch direkt eine Ausgabe gekauft hat. "Die
kommt doch immer so spät von der Arbeit, da ist die Zeitung meistens schon
ausverkauft!" Doch noch während sie schrieb, war wohl der Chef gekommen
und hat darum gebeten, dass die Susi ihm schnell an einen Geschäftsfreund eine
mail schreibt. Weil doch das Fräulein Grete Meier erst mittags kommt und es
eilig wäre. Hat die Susi dann auch gemacht. Allerdings wurde sie zweimal durch
Telefonate gestört. So hat sie dann die E-Mailadressen vertauscht. Und der Chef
hat einen Anruf erhalten von seinem Geschäftsfreund, warum er denn mit
Meggieschätzchen angeredet wird und unbedingt heute abend noch eine Zeitschrift
bei einer Susi abholen soll. Peinlich, peinlich. Für Susi und den Chef. Nicht
für die Grete. Die schnappte sich das Telefon, rief besagten Geschäftsfreund
an, klärte das Missverständnis, leise vor sich hin lächelnd, auf und kochte
danach erst mal eine Kanne Kaffee.
Lieschen lachte sich schlapp.
"So, jetzt muss ich aber auflegen, der Herrmann ruft nach mir."
Die Grete griff sich eine
Zigarette und betrat zum vierten Mal heute abend den Balkon. Blauer Dunst zog
an ihr vorbei. Der Herr Heinevetter. Grete atmete auf. Doch wie sah der nur
aus, reichlich lädiert und die Grete vermeinte sogar ein blaues Auge zu
erkennen. " Wissense schon Frau Meier, wissense schon was mir passiert
ist?" Nein, dachte die Grete, aber lange wird mein Wissensrückstand wohl
nicht andauern. Wie gesagt, sie dachte es nur. Höflich ist sie nämlich immer,
die Grete. Nach fünf Minuten war dann auch die Lücke gefüllt. Der arme Herr Heinevetter
war in der Stadt gewesen. Mit der Bahn. Dort hat er im teuersten Blumengeschäft
vierzig Baccara-Rosen gekauft. "Hochzeitstag hätten wir doch heute gehabt,
meine Hilde und ich. Vierzig Jahre. Und Rosen hat sie doch so gern gemocht.
Deshalb wollte ich zum Friedhof." Weit ist der Herr Heinevetter aber erst
mal nicht gekommen mit dem riesigen Blumenstrauß. Gestürzt ist er, mitten in
der Fußgängerzone. Und mit ihm die teuren Rosen. " Da lag ich da, konnte
nicht mehr aufstehen. Und meinense mir hätte mal irgendjemand geholfen?
Pustekuchen, Frau Meier, Pustekuchen. Einer hat sogar gesagt: Wohl besoffen der
Penner! Das müssense sich mal vorstellen. Meinen besten Anzug hatte ich an, vor
mir ein Riesenstrauß teurer Rosen auf dem Pflaster, aber der meint ich sei ein
Penner und besoffen. Stellense sich mal vor, ich hätte einen Infarkt gehabt.
Verreckt wäre ich da, elendig verreckt!" Man merkte ihm die Empörung an. Herr
Heinevetter zitterte vor Aufregung am ganzen Körper.
Empört war auch die Grete. So
sehr, dass sie die Flasche Marillenschnaps aus dem Schrank holte.
Was Lieschen dazu sagt, findet ihr hier. Spätestens morgen vormittag --->KLICK
Was Lieschen dazu sagt, findet ihr hier. Spätestens morgen vormittag --->KLICK
Frl. Grete, das war ja klar, dass mit Susi was passieren musste. Trotzdem stelle ich mir das Gesicht des Kunden vor. (hihi)
AntwortenLöschenDas mit Herrn Heinevetter finde ich empörend. Warum ist ihm niemand zur Hilfe gekommen? Hat er seine 40 Rosen noch zum Friedhof bringen können? Fragen über Fragen. Jetzt könnte ich auch einen Marillenschnaps vertragen.
Einen schönen Abend wünscht Dir
Irmi
Irmchen, er ist trotz Schmerzen und lädiert zum Friedhof gefahren.
LöschenVielen Dank fürs Lesen und den netten Kommentar.
Gruß vonner Grete
Hier wird mal wieder Gretes (spontane) Entschlusskraft deutlich. Sie lamentiert nicht, fackelt nicht lange, sondern handelt und rückt gerade, was der Susi schief gelaufen ist.Ein wenig schmunzeln musste ich schon über Susis Vertausch-Manöver. Hoffentlich hatte der Kunde genügend Humor. Aber den wird Grete schon rausgekitzelt haben.
AntwortenLöschenDass sie sich um Herrn Heinevetter sorgt, ist klar - Grete sorgt sich immer um andere.
Die Geschichte ist ja auch nicht ohne. Ich meine, es hätte ja auch mehr passieren können mit dem Herrn Heinevetter.
Ich denke, man muss ja nicht überschäumen vor Hilfsbereitschaft, aber zumindest mal hinschauen und das hat wohl hier keiner gemacht. dann hätte man den Guten wohl kaum mit einem Penner verwechselt. und überhaupt, einem "Penner" kann ja auch mal was Ernsthaftes zustoßen und der braucht dann keine Hilfe? Oder wie?.
Also, ich kann Gretes Empörung verstehen und die von Herrn Heinevetter auch.
Sicher hätte es ihm gut getan, wenn zumindest mal jemand gefragt hätte, ob er Hilfe brauche.
Ich habe das auch schon erlebt. Da ist ein Mann vor mir plötzlich gewankt und gegen die Hauswand geknallt. Dann lag er da....alle haben gegafft, niemand was gemacht.
Ehrlich, ich habe auch gezögert, bin dann aber in einen Laden und habe die Rettung alarmiert.
Das Schlimmste waren die Äußerungen wie: "Der Suffkopp braucht was ganz anderes als Hilfe..."
Er war nicht betrunken, wie sich nachher rausgestellt hat.
Aber jetzt frage ich mich, ob Herr Heinevetter mit seinen Rosen noch zum Friedhof gehen konnte. Das war ja eine schöne Geste von ihm - so den 40. Hochzeitstag mit seiner Hilde feiern zu wollen. Er ist halt eine treue Seele, irgendwie.
Ich finde, Grete hat für ihren ersten Tag zu Hause schon wieder einiges erlebt und erfahren.
Hoffentlich hält die Erholung noch ein wenig an. Nicht, dass sie ständig einen Marillenschnaps braucht.
Lieben Gruß
Enya
Danke Enya, mal wieder für deine Anteilnahme an Gretes Geschichte. Herr Heinevetter war noch auf dem Friedhof. Ja, zumindest mal hinschauen und nachfragen. Aber nur achtlos vorbeigehen? Mein Ding wäre das nicht. Vielen Dank
LöschenGruß vonner Grete
Der Herr Heinevetter ... der treibt mir schon ein wenig das Wasser in die Augen! Er ist mein Held des Tages!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
IsisUnveiled
Ja, da stimme ich dir zu. Danke dir
LöschenGruß vonner Grete