Von Zankereien und Hörgeräten
Lieschen war unterwegs am
Samstag und das Fräulein Grete Meier auch. Macht aber nichts, telefoniert wird
dann eben am Sonntagabend. Da sind sie sich einig. Dann wird das Lieschenbestimmt so einiges zu erzählen haben. Wo
sie war, und was sie erlebt hat.
Die Grete ist am Samstag schon
ganz früh losgefahren. Onkel Günther stand wie immer am Gartenzaun als das
Fräulein Grete Meier vor dem Haus hielt.
Nach zwei Stunden Autofahrt freute die
sich erst mal auf eine Tasse Kaffee, natürlich mit Apfelkuchen. Der Apfelkuchen
von Tante Heidi ist nämlich ein wahres Gedicht. Die Grete wurde herzlich empfangen.
Küsschen von Onkel Günther links und rechts, Drückerchen hier und da. Tante
Heidi eilte aus der Küche herbei und tat es ihm gleich. Grete liebt die beiden
sehr. Tante Heidi ist die Schwester von Gretes Mutter und die Grete ist bei ihr
und Onkel Günther aufgewachsen, nach dem Unfalltod ihrer Eltern. Die Grete war
schon lange ausgezogen als Onkel Günther sein Elternhaus erbte. Da beide schon
immer von einem Häuschen im Grünen träumten, und sie nun nichts mehr in Gretes
Heimatstadt hielt, sind sie dorthin gezogen. Einmal im Monat fährt die Grete seitdem
die zweihundert Kilometer. Die ersten Jahre um sich dort nach Strich und Faden
verwöhnen zu lassen, die beiden haben nämlich keine eigenen Kinder, doch seit
einiger Zeit eher, um nach dem Rechten zu sehen und wenn nötig, die beiden in
Alltäglichem zu unterstützen. Weit über siebzig waren die zwei und das ein oder
andere konnte von ihnen nicht mehr bewältigt werden. Deshalb fährt die Grete
auch samstags, damit eventuelle Besorgungen gemacht werden können. Onkel
Günther fährt nämlich nicht mehr so gerne Auto. Die Augen wollen nicht mehr so
richtig.
Fahrradfahren ist jetzt seine
Leidenschaft. Jeden Tag zwanzig Kilometer, immer die gleiche Strecke, immer zur
gleichen Uhrzeit. Tante Heidi hält es da eher mit Gymnastik in ihrer Turngruppe.
Und Sudoku. Täglich. "Hält die Gehirnzellen wach", sagt sie immer.
Dampfender Kaffee, Apfelkuchen
mit Sahne, rechts Onkel Günther und links Tante Heidi. Die Grete war zufrieden und
plapperte fröhlich drauf los. Lauter als gewöhnlich, denn Tante Heidi hört
schlecht. Gibt es aber nicht zu. Das führt zu ständigen Zankereien mit ihrem
Göttergatten. Der hört auch schlecht, aber nicht so schlecht wie Tante Heidi. So
versteht keinen keinen so richtig und das führt dann öfter mal zu lautstarken
Diskussionen.
Habe ich dir gesagt – Nein,
hast du mir nicht gesagt – Siehste, es hat doch jemand geklingelt, haste mal
wieder nicht gehört – Mach doch mal
den Fernseher lauter, die nuscheln so ( Til Schweiger-Film? ) – Kauf dir endlich mal ein Hörgerät – Du hörst
doch viel schlechter - usw. … usw.
Grete merkt genau, wenn Tante
Heidi mal wieder Bahnhof versteht. Dann nickt sie nämlich nur bedeutungsvoll zu allem. Schwierig ist es nur am Telefon. Da
muss sich die Grete mehrfach versichern, dass die Tante Heidi auch alles
verstanden hat.
Grete hielt in ihrem Redefluss
inne, als Tante Heidi sie scharf ansah. "Was ist, habe ich Sahne auf der
Nase?" Tante Heidi lachte. "Nee, nur Kindchen, kannste etwas leiser
sprechen, du schreist ja förmlich." Grete war verdutzt. Onkel Günther
griente. Nun schmunzelte auch Tante Heidi. Die Grete stand auf dem Schlauch.
Für geschlagene fünf Minuten. Erst nachdem Tante Heidi auf ihre Ohren zeigte,
fiel der Groschen. "Du hat ein Hörgerät!"
Es stellte sich heraus, dass
es sogar zwei Geräte waren. Die sah man überhaupt nicht, so klein waren die.
" Neueste Technik, mit Computerchip",
erzählte Tante Heidi dann. "Und nu
senk mal deine Stimme, das tut mir weh in den Ohren!"
Grete ließ sich ganz genau die
Technik erklären und achtete darauf ja nicht wieder in die alte Lautstärke
zurückzufallen. Welch eine Erleichterung, nicht nur für die beiden, auch für
die Grete. Den ganzen Tag laut zu sprechen ist ganz schön anstrengend. Dazu
dann noch die Zankereien. Die Grete ist immer ganz geschafft, wenn sie nach
einem solchen Besuchstag wieder zuhause ist.
Alles blieb ruhig, auch
zwischen den beiden. Grete war glücklich. Bis Onkel Günther ihr beichtete, dass
er sich zwar für seine Heidi freut, es jetzt aber abends zu einem riesigen
Problem kommt. "Die stellt den Fernseher jetzt immer ganz leise. Ich kann
nichts verstehen. Meine Ohren haben sich doch mit der Zeit an die Lautstärke
gewöhnt. Nun gewöhnen sie sich nicht mehr um. Und wenn ich es lauter stell,
schimpft sie. Stell dir mal vor, die behauptet doch, ICH bräuchte ein Hörgerät!"
Tja, alles hat zwei Seiten, so ein Hörgerät ist prima, aber wenn Frau dann alles hört kann das kompliziert werden.
AntwortenLöschenIch möchte auch Apfelkuchen.
Ich freue mich jeden Tag auf diese Geschichten sind sind wundervoll, so aus dem Leben aber doch ander. Gruß Geli
Eben erst gesehen, liebe Geli, du führst ja auch einen netten Blog. Habe ich gleich mal in den Blogroll aufgenommen. So sieht man, wenn du Neues postest.
AntwortenLöschenLg und Danke fürs Lesen
vonner Grete
Was für ein erfrischender Text mal wieder
AntwortenLöschenDa fängt der Tag gleich gut an.
Den Kaffee habe ich auch neben mir stehen, aber der Apfelkuchen fehlt mir leider ;)
Liebe Grüße
Pamela
Hallo Pamela, Apfelkuchen so früh am Morgen ist aber auch nicht das Wahre. Vielen Dank für den kommentar.
LöschenLg vonner Grete
Eine Tasse Kaffee und eine neue Geschichte von Grete – so fängt der Tag gut an.
AntwortenLöschenJa, es ist so eine Sache mit dem Älterwerden. Ein Hörgerät ist da wohl noch ein eher geringes Problem. Aber zumindest ist es ein erstes Zugeständnis, dass eben nicht mehr alles so funktioniert.
Dabei ist es doch eine Erleichterung, erhöht die Lebensqualität – einerseits. Andererseits zeigt es einem ja auch deutlich die eigenen Schwächen, die sich mehr und mehr einschleichen.
Heidi ist da ihrem Günther wohl ein Stück voraus.
Schön finde ich, dass die beiden wirklich etwas tun, am Leben teilhaben, Gymnastik, Fahrradfahren....
Grete kümmert sich, aber ich habe den Eindruck, dass sie es gern macht. Und beim Verwöhnen werden sicher immer wieder Erinnerungen an frühere Zeiten wach. Das tut beiden gut, der Grete und Onkel und Tante auch.
Heidi und Günther sind mir sehr sympathisch, ihre kleinen Auseinandersetzungen schaden der Beziehung nicht und können dem, was ein Leben lang gewachsen ist an Vertrautheit nichts anhaben.
Ich denke, Günther wird sich das mit dem Hörgerät überlegen und dann ist auch das Fernsehproblem gelöst.
Wieder sehr schön beschrieben, diese Begebenheit, die Charaktere so gezeichnet, dass sie dem Leser nah sind.
Liebe Grüße
Enya
Danke Enya ... man darf gespannt sein, was bei Tante Heidi und Onkel Günther noch so alles passiert. In Punkto Hören und auch in anderen Dingen. Grete fährt ja auch nächsten Monat wieder hin.
LöschenVielen Dank an dich
Lg vonner Grete
Aha, der Onkel Günther radelt auch! Das gefällt mir!
AntwortenLöschen;)
Liebe Grüße
Christiane
Yep, aber bergauf immer mit "Unterstützung" elektrischer Art.
LöschenLg vonner Grete