Im Westen nichts Neues
Heute standen sie alle neben
und untereinander. In allen Zeitungen, online oder gedruckt. Die Dinge, die
kein Mensch wissen will. Vor allem nicht das Fräulein Grete Meier. Und vor
allem nicht Freitagnachmittag nach einer anstrengenden Woche. Wen interessiert schon, ob es bei Bauer
Schäfer gebrannt hat, Boyoncé einen Kurzhaarschnitt trägt oder ob irgendein Künstler
das Internet ausgedruckt hat. Die Grete mag sich überhaupt nicht vorstellen,
dass es Menschen gibt denen etwas daran liegt zu erfahren, warum sich Schlagerstars
bekriegen, Brüste zu klein sind, warum tätowieren beliebt ist und wo und wie
und wer einen Affen mit dem Namen Paul erwischt hat. Die Bundesliga startet
wieder und BILD macht natürlich gleich einen Form-Check. In einer anderen
Zeitung schämen sich Deutsche im Urlaub für ihre Landsmänner neben einer Frau,
die sich bitter über eine wahrlich hohe Handyrechnung beklagt, die sie aus
Dummheit selber verursacht hat. Auf n-tv ist es auch nicht besser. Grün und
Gelb sind verfeindet (ach nee!) und das Display eines Smartphones macht Appetit.
Auf was, will die Grete schon gar nicht mehr wissen. Und neben all den
nichtssagenden Meldungen blitzt überall eine nackte Lady Gaga hervor. Die macht
nicht nur ihrem Namen alle Ehre mit dem Video, sondern der steht auch für den Inhalt
der Zeitungen. Natürlich gab es auch wieder die üblichen Schreckensmeldungen
über Unfälle und andere Übel des täglichen Lebens.
Grete jedenfalls war bedient
ob all der Meldungen und fühlte sich schon selber ganz gaga.
Die Zeitungen wanderten in den
Müll und die Tabs der Onlineausgaben wurden schnellstens wieder geschlossen.
Nur die Kreuzworträtsel schnitt Grete wie immer vorher aus. Schließlich können
die ja nichts dafür.
Noch immer an die nackte Lady
denkend ging Grete auf den Balkon, setzte sich auf ihre Bank und zündete sich
eine Zigarette an. Blauer Rauch stieg auf und die Grete versuchte kleine
Kringel in die Luft zu pusten. Nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es
ihr dann auch. Der Kringel stieg langsam auf, wurde größer und größer, franzte
an den Rändern aus und löste sich dann langsam in Luft auf. Das ganze dauerte
nur ein paar Sekunden. So ist es wohl auch bei den täglichen Meldungen, dachte
sie. Die Reporter suchen und finden etwas, was sie lautstark vermelden können,
blähen es auf und nur nach Sekunden
verschwindet es wieder.
Natürlich dauerte es nicht
lange bis sich in den blauen Dunst von der Grete der Rauch von Herrn
Heinevetters Zigarette mischte. Und seine Sätze in ihre Gedanken. Die Grete
ließ all die nichtigen Meldungen des Tages in gewohnter Manier stillschweigend
nochmals über sich ergehen. Gab hier und da ihren Senf dazu, und bescherte
damit dem Herrn Heinevetter einen für ihn gerundeten Abschluss des Tages.
Sie weiß ja, dass er sich
immer freut, sobald sie nach Feierabend auf dem Balkon ihre Zigarette raucht.
Er plaudert doch so gern und tagsüber hat er kaum Gelegenheit dazu, seit seine Frau
tot ist.
Mit einem fröhlichen "Schönen Abend noch Frau Meier, mit
ihnen kann man sich immer so schön unterhalten und über Gott und die Welt reden,
sogar über Lady Gaga und kleine Brüste" im Ohr, ging Grete wieder in ihr
Wohnzimmer zurück, weil das Telefon klingelte. Na, vielleicht ist es doch nicht so nichtig, was
alles in den Zeitungen steht, dachte sie, während sie den Hörer abnahm. Ab und
an braucht man es ja vielleicht doch.
Am Telefon war dann das
Lieschen, die ihr nur kurz mitteilen wollte, dass es am Samstag nichts wird mit
dem üblichen Telefonat, sie sei nämlich nicht zuhause. Grete kommt das recht,
denn sie will am Samstag eh zu Tante Heidi und Onkel Günther fahren. Das macht
sie nämlich einmal im Monat. Gern. Sehr gern.
Wen kümmert das Geschwätz der Promis ob A oder B. Frl Grete Meier war mir heute außerordenlich sympathisch und ich fühlte eine leichte Verbundenheit und das sich sich um Herrn Heinevetter kümmert ist auch sehr sozial. Schade, dass das Lieschen keine Zeit hat, aber das wird.
AntwortenLöschenLG von Geli
Hallo Geli, schön dich hier zu sehen. Für Small-Talk reicht das Promi-Geschwätz allemale aus. Und ebben auch für ein Schwätzchen abends auf dem Balkon. Ja, das Haus von der Grete mit all den Nachbarn ist schon besonders. Da kennt jeder noch jeden. Und jeder sorgt sich auch. Wollen wir mal hoffen, dass es viele solcher Häuser und Nachbarschaften gibt.Danke dir.
LöschenLg vonner Grete
Du schreibst mir aus der Seele... und noch alsd ich las dachte ich: manchmal schadets nicht, zu wissen, was es an nichtigen Informationen in der Zeitung steht... Was die Promiwelt betrifft, brauch ich bei meinen Teeniekids immer ein kleines, solides Grundwissen, du verstehst?
AntwortenLöschenÜbrigens schneide ich die Sudokus aus :) und mach es mir nun bei dir gemütlich!
Liebe Grüße und viel Spaß bei Tante und Onkel
wünscht die Netzstreunerin
Ein neues Gesicht, wie nett liebe Netzstreunerin, dass du hier auf der Seite gelandet bist. Hmmm, dieses Grundwissen parat haben, kennt die Grete in der Tat. Bei Teenies sicherlich von besonderer Bedeutung. Aber auch bei Susis und beim Bäcker usw.
LöschenVielen Dank fürs Folgen und den netten Kommentar.
Lg vonner Grete
Ja, wen interessiert es – all jene Nachrichten (besser Meldungen, denn Nachrichten sind es ja kaum), die man eigentlich nicht wissen will.
AntwortenLöschenEs gibt sie wohl, diese Menschen, die sich darauf stürzen, es inhalieren, wie den rauch einer Zigarette und sich dann dem nächsten „Zug“ zuwenden. Es gibt sie zu Genüge, denn sonst könnte die Boulevardpresse wohl kaum überleben.
Grete mag das nicht, aber auch sie kann sich nicht völlig entziehen. Dieses „Geschwätz“ überstülpt alles und jeden. Und zuweilen nagelt sich dann solch eine Meldung sogar in unseren Gedanken fest.
Es hat aber auch sein Gutes.
Wie sonst könnte Fräulein Grete mit Herrn Heinevetter so unbeschwert plaudern? Anknüpfungspunkte finden, in dieser Welt, die doch immer stärker anonymisiert?
So kann sich eine gewisse Nähe auch im scheinbar Unbedeutenden zeigen.
Auch wenn man gar nicht weiß hinterher, über was man sich nun ausgetauscht hat, ein kleines Restgefühl von Zufriedenheit bleibt.
Gern bin ich mit Grete durch diesen kleinen Querschnitt an Nebensächlichkeiten, die sich so rasch in Rauch auflösen..., gewandert.
Und nun eine kleine Zigarettenpause und über Lady Gaga nachdenken – hoffentlich, ohne gaga zu werden.
Ein schönes Wochenende wünsche ich der Grete.
Liebe Grüße
Enya
Anonymisiert ... genau so ist es heutzutage sehr oft. Auch in den Mietshäusern immer stärker, obgleich man Wand an Wand lebt. Gerade deshalb sind solche Kleinigkeiten, wie Geplauder von Balkon zu Balkon wichtig. Für manch einen sogar lebensnotwendig. Einsamkeit sollte klein geschrieben werden.
LöschenVielen Dank und einen lieben Gruß in das We
vonner Grete