Das Fräulein Grete Meier macht es auf die alte Tour
Ausgerechnet heute musste in der Firma von der Grete der Strom ausfallen.
Einem Straßenbauarbeiter war es gelungen, mit einem Schaufelbagger nach
mehrstündiger Plackerei, eine Leitung zu kappen. Und nicht nur die. Das
Datenkabel der rosafarbenen Telekommunikation
nehmen wir doch gleich auch mit. Wenn
schon denn schon, muss der sich gedacht haben.
Gegen zehn Uhr machte es jedenfalls Zapp und die Grete saß, nein nicht im
Dunkeln, war doch lichter Tag, vor einem schwarzen Bildschirm. Nichts ging
mehr. Rein gar nichts. Der Chef bekam keinen Kaffee, Susis Telefonat mit der
Freundin wurde unterbrochen, Simon kam händeringend aus der Werbeabteilung, weil
seine letztes Projekt noch nicht gespeichert war, und Berta Kalt und
Heidi Seelig saßen im Aufzug fest - allerdings
genau auf der Etage - und lamentierten unentwegt. Eido grinste zu allem nur und
meinte: "Shit happens. Wird die Ware eben später verpackt und
ausgeliefert." Und die Grete tat nichts anderes als sich zu kümmern. Der
Chef bekam statt Kaffee Cola, Susi eine Modezeitschrift, Simon versicherte sie
mehrfach, dass ganz bestimmt keine Daten verlorengegangen sind und den Eido
schickte sie nach unten zum Hausmeister, damit sich einer um den Aufzug
kümmert. Während der dann versuchte die Türe zu öffnen, mit für die Grete
suspektem Werkzeug, redete diese beruhigend auf Berta und Heidi ein.
Nach einer halben Stunde war der Spuk vorbei. Der Fahrstuhl quietschte sich
wieder fröhlich von einem Stockwerk zum nächsten, die Kaffeemaschine blubberte,
Eido saß wieder in seinem Glaskasten in der Warenausgabe und Berta und Heidi
waren auf dem Weg nach Hause. Mit denen war nach der Fahstuhlmisere eh nichts
mehr anzufangen. Susi und Grete konnten allerdings noch immer nicht ihr täglich
Brot mit Arbeit verdienen. Strom war zwar wieder da, aber eben nicht überall. Vor allem nicht beim Chef und im Vorzimmer.
Eido vermeldete, dass die Warenausgabe wieder funktioniert, ergo natürlich auch sein PC und Simon konnte
sich von der Angst des Datenverlustes befreien. Internet und Telefon war denen
nicht so wichtig. Aber der Susi. Wobei die Grete sich nur kurz das Gejammere
von wegen offline und facebook und was sie alles verpassen würde, anhörte und Susi mit den Worten "Arbeitszeit ist
Arbeitszeit und nicht Facebooktime" wieder in die Rechtsabteilung
schickte. Da wo sie hingehört. Und wo Strom war.
Jetzt allerdings bekam dann doch auch die Grete ein Problem. Oder besser
gesagt, eigentlich der Chef. Obwohl, sind wir mal ehrlich, dem Chef
seine Probleme immer auch Gretes Probleme sind, oder werden, oder waren oder was
auch immer. Wichtige Geschäftsbriefe mussten unbedingt noch vor Mittag geschrieben
werden. Hat der Chef mal wieder vor sich hergeschoben und jetzt drängte die
Zeit. "Eine Katastrophe Frau Meier, eine Katastrophe. Die Briefe müssen
heute noch zur Post!"
Tja, ohne funktionierenden PC und Drucker war das eine schlechte
Ausgangsposition, zumal es mittlerweile die Info gab, dass sich der Ausfall noch den ganzen Tag
hinziehen könnte. Ganz bekümmert war er, der Arme. Aber die Grete wäre nicht
die Grete, wenn sie nicht auch für dieses Problem eine Lösung parat hätte.
"Mir nach!" forderte sie den Chef auf. Und der Chef wäre nicht der
Chef, wenn er der Grete nicht blindlings vertrauen würde. Er folgte ihr in den
Aktenkeller wie ein Lämmchen. Dort kramte das Fräulein Grete Meier aus der
hintersten Ecke eine verstaubte Schreibmaschine hervor. Gabriele 110
Elektrik von Triumph Adler. Triumphierend
(passt doch!) hielt sie dem Chef das Ding unter die Nase. Der schaute verständnislos durch eine kleine Staubwolke
die Grete an. "Auf die alte Tour Chef, könnense sich denn nicht mehr
erinnern?" Langsam dämmerte es dem
Chef und er fing an zu grinsen. " Ja, das ist es, Frau Meier, machen wir es
auf die alte Tour."
Zurück im Büro schnappte sich die Grete Block und Bleistift. Schön spitz.
Dann marschierte sie in das Chefbüro, nahm gegenüber vom Schreibtisch auf einem
Stuhl Platz und wartete. Während der Chef im Zimmer auf und ab lief, diktierte
er der Grete die Briefe. Die schrieb in ihrer schönsten Steno-Schrift alles
mit. Danach suchte sie noch aus alten Akten die Adressen der Empfänger raus,
schnappte sich die Schreibmaschine und marschierte zu Susi in die Rechtsabteilung.
Verscheuchte diese kurzerhand von ihrem Schreibtisch, schloss die Maschine am
Stromnetz an, schob Firmenbriefpapier in die Halterung und klapperte los. Die
Finger flogen nur so über die Tasten. Nein sowas, die Susi staunte nicht schlecht.
So ein Teil hatte sie noch nie gesehen. Und
überhaupt, dass die Meier diese merkwürdigen Hieroglyphen entziffern kann.
Die Grete tippte, lächelte still über die Susi, tippte und lächelte wieder.
Nach getaner Arbeit packte sie alles wieder ein, klemmte sich die
Schreibmaschine unter den Arm und mit den Worten "Alte Tour, Susi, alte Tour,
da kommt selbst die neueste Technik nicht mit" kehrte sie Susi und dem
Schreibtisch den Rücken.
Zu gerne würde sie ja morgen beim Mittwochskaffe dem Lieschen erzählen, wie
die Susi ihr mit offenem Mund hinterher gestarrt hat. Aber leider hat die Grete
das nicht mehr gesehen.
Und was hat das Lieschen dazu zu sagen? ---> KLICK
Und was hat das Lieschen dazu zu sagen? ---> KLICK
Ich muss echt grinsen.... Aber der Beitrag gefällt mir wie immer gut. Ich kann auch noch stenografieren.
AntwortenLöschenLG Geli
Stromausfall führt in heutiger Zeit zum totalen Chaos.
Frag man heute ein junges mädel ob es den Beruf Stenokontoristin kennt, bekommt man als Antwort nur ein - Häääh? Die Grete hat das noch gelernt. Danke dir liebe Geli..
LöschenGruß vonner Grete
Frl.Meier, herzliche Gratulation. Wenn es wenigstens eine IBM gewesen wäre - aber auf einem solchen Schätzchen. Das ist schon ein Leistung.
AntwortenLöschenSteno beherrsche ich auch noch aus dem FF - aber ich bin ja auch eine ganze Ecke älter. Susi wird wohl die Welt nicht mehr verstehen.
Und da sieht man es doch wieder: wir wissen uns noch zu helfen - aber diese Smartphone-Generation wäre am Ende.
Einen geruhsamen Abend wünscht Dir
Irmi
Smartphonegeneration -- ja so ist es --- die wären heillos überfordert. Danke dir Irmi
LöschenGruß vonner Grete
Ach, das hat mir wieder gut gefallen. Eine Situation, die ich ebenfalls mit Steno und Schreibmaschine hätte lösen können. Leider haben wir keine Schreibmaschine mehr, hmm ...
AntwortenLöschenIch wünsche dem Frl. Meier einen wunderbaren Tag, ohne Stromausfall
liebe Grüße
Regina
Du glaubst gar nicht, liebe Regina in wievielen Büros im Keller noch solche Schätzchen schlummern. Viellen Dank, dass du hier warst.
LöschenGruß vonner Grete
Hallo,
AntwortenLöschenso eine alte Schreibmaschine staubt in unserem Abstellraum bei uns zu Hause auch vor sich her. Sie wäre allerdings kaum funktionsfähig. In unserem Bürogebäude wüsste ich nicht, dass wir solche Relikte aus unserer guten alten Bürozeitgeschichte noch haben.
Gruß Dieter
Schau mal im Keller nach .... irgendwo versteckt sich bestimmt noch eine Maschine. Vielen Dank fürs Lesen und überhaupt und so ...
LöschenGruß vonner Grete
Scheinbar können hier alle Steno - bloß ich nicht...
AntwortenLöschenGut, dass die Grete hier normal schreibt! Richtig gut sogar!
Liebe Grüße
Christiane
Lach, Steno über die Tastatur, das möchte ich sehen... Danke liebe Fahrradfrau.
LöschenSchmunzelden Gruß vonner Grete
Grete wäre wahrlich nicht Grete, wenn sie sich nicht kümmerte....um den Chef, die Susi, die Aufzugdamen und.....na ja um Gott und die Welt, die gerade nicht mehr funktioniert.
AntwortenLöschenIn all dem Chaos bewahrt sie die Ruhe und vor allem: Sie handelt.
Hach, super, diese alte Tour und ich schwelge gerade in nostalgischen Erinnerungen. Bis zum Referendariat habe ich auf einer mechanischen geschrieben, mit diesem „Pling“ wie Lieschen es beschreibt. Dann bekam ich eine elektrische...es war göttlich.
Und Steno? Na ja, ich glaube, ich habe viel vergessen. Meine Hochachtung, dass Grete das noch so hinbekommt. Hier hat wohl unsere Generation einen Vorteil: Wir sind in beidem bewandert - der alten Tour und den neuen Wegen....
Ein toller Exkurs in jene Zeit, als die „alte Tour“ noch selbstverständlich war – wieder herrlich geschrieben.
Wie viele Jahre ist das her? Meine Güte, rast die Zeit!
Ich muss direkt mal in den Keller gehen....
Lieben Abendgruß
Enya
Hallo Enya, so lange ist das doch gar nicht her, oder??? Zeit ist relativ, das Rasen derselbigen auch. Danke für den netten Beitrag.
LöschenLg vonner Grete