Von Camillo, klappernden
Scheren und farblosen Augenbrauen
Einmal im Monat lässt sich das
Fräulein Grete Meier die Haare schneiden. Von der Sonja. Die hat nämlich einen
mobilen Frisiersalon und besucht die Grete zum Haareschneiden zuhause. Super
praktisch, findet die Grete. Und so richtig gemütlich. Die Sonja ist nämlich
eine wirklich liebe Person. Mit der hält die Grete gerne ein Schwätzchen, so
zwischen Scherengeklapper und Kaffeetassen. Heute war es dann auch mal wieder
soweit. Pünktlich um 16.00 Uhr stand Sonja in Gretes Küche. Die Grete nimmt
sich den Nachmittag extra dafür frei. Überstunden hat sie immer genug. Wieder
so ein Ritual würde das Lieschen wohl sagen. Aber Grete mag das. Und sie spart
noch Geld dabei. Denn der Haarschnitt bei der Sonja ist günstiger als im Salon.
Von Sparen versteht die Grete was. Da guckt sie sich auch öfters beim Lieschen
was ab.
Mit ihren Haaren ist die Grete
sehr eigen. Jeden Tag werden sie gewaschen und geföhnt. Alles muss perfekt
sitzen. Jedes noch so kleine Haar, sozusagen. Ansonsten ist mit der Grete nicht
gut Kirschen essen. Schminke muss nicht (außer Wimperntusche) aber die Haare,
die Haare müssen gepflegt aussehen. Und deshalb wird auch regelmäßig
geschnitten. Von der Sonja. Die weiß nämlich ganz genau, wie Gretes Haarschnitt
sein muss. Und macht das seit Jahren wirklich gut.
Wenn Sonja dann wieder weg
ist, färbt sich das Fräulein Grete Meier die Haare. Das macht sie selbst. Da
darf noch nicht mal die Sonja ran. Die Grete hat viel zu viel Angst vor einem
Ergebnis, dass nicht ihren Wünschen entspricht. Früher hat sie oft die
Haarfarbe gewechselt. Da macht sie schon lange nicht mehr. Braun deckt am besten
graue Haare ab. Nachdem die Grete das festgestellt hat, ist sie bei der Farbe
geblieben. Schokoladenbraun.
Seitdem die Grete allerdings
diesen Farbton für sich entdeckt hat, seitdem mäkelt die Sonja einmal im Monat
an der Grete rum. "Du musst auch deine Augenbrauen dazu passend färben,
die sehen ja völlig farblos. So sieht doch jeder gleich, dass du dir die Haare
färbst." Denn eigentlich sind Gretes Haare blond (früher mal, jetzt eher grau)
und dementsprechend auch die Brauen.
Na, beim letzten Mal hat sich
die Grete dann überzeugen lassen. Und heute war es dann soweit.
Nach der Haarschneideprozedur
und zwei Tassen Kaffee packte die Sonja die Augenbrauenfarbe aus. Rührte sie an
und hastenichtgesehen, waren Gretes Augenbrauen damit zugekleistert. "Jetzt
drei Minuten einwirken lassen."
Während die Farbe einwirkte
erzählte die Sonja der Grete von ihrem Hund. Der musste nämlich operiert
werden. Grete fragte nach Einzelheiten. Und Sonja ließ sich nicht lange bitten.
Ach, was das arme Tier alles durchmachen musste. So richtig an die Nieren ging
der Grete das. Sonja zeigte der Grete dann auch gleich noch ein paar Fotos, die
sie mit ihrem Handy gemacht hat. Camillo, so heißt der Hund, vor der Operation,
während der Operation und nach der Operation. Grete goss noch Kaffee nach. Camillo auf dem
Balkon, Camillo im Hundekörbchen, Camillo am Flussufer. Einen wirklich schönen
Hund hat die Sonja. Grete war begeistert. Weniger begeistert war sie dann aber, als die
Sonja plötzlich wie von der Tarantel gestochen aufsprang und ihr mit einem
Waschlappen durch das Gesicht fuhr. "Die Farbe, wir haben die Farbe
vergessen. Die darf nur drei Minuten!"
Sonja schrubbte und schrubbte
an Gretes Augenbrauen bis Grete ihr den Lappen aus der Hand riss. Und noch weniger
Begeisterung herrschte vor, als die Grete in den Spiegel blickte. Kohlschwarze
dicke Balken oberhalb ihrer Augen lugten die Grete frech an. Als wollten sie sagen:
Das haste jetzt von deiner Schwatzhaftigkeit.
Das ganze sah so komisch aus,
dass die Grete augenblicklich lachen musste. Erleichtert stimmte die Sonja mit
in das Lachen ein. Rettete was noch zu retten war (ein dünner feiner Bogen
wurde gezupft und mit Nagellackentferner wurde die Farbe auf der Haut entfernt)
und versprach der Grete hoch und heilig, nie wieder die Farblosigkeit der
Brauen zu erwähnen.
Grete muss bitte entschuldigen, dass ich heftig lachen musste angesichts der dicken schwarzen Balken. Aber Grete hat ja Humor und es ist wunderbar, dass sie auch über sich selbst lachen kann.
AntwortenLöschenIrgendwie habe ich wieder etwas gelernt: Augenbrauen werden auch grau!? In der Tat? Das habe ich bei mir - trotz herrlich grauer Haare (gefärbt) noch nicht entdeckt. Nun bin ich zwar schlauer, aber doch verunsichert. Ob das wohl noch kommt?
Nach dieser Geschichte stelle ich fest, dass ein mobiler Frisörsalon ja durchaus Vorteile hat. Von Grete kann man etwas abschauen. Auch der Heimvorteil spielt sicher eine Rolle. Und es fehlen diverse Freud- und Leidensgenossinnen, die über Gott und die Welt plappern, also auch Dinge, die man nicht unbedingt hören möchte.
Was mir fehlen würde: ein Boulevardblatt, das im Frisörsalon immer gereicht wird, um Wartezeiten zu überbrücken, dies einmal im Monat durchzublättern, ist mehr als erheiternd.
Dafür bekommt Grete aber alles über Camillo serviert auf einer sehr persönlichen Ebene.
Vielleicht haben ja andere Frisörinnen, die nach Hause kommen, Katzen, Pferde, Wellensittiche oder Fische.
Ich werde Ausschau halten....
Eine sehr nette Geschichte zum Feierabend, die durchaus über eigene Gewohnheiten nachdenken lässt.
lg
Enya
In der Tat werden auch die Brauen grau. Allerdings meist zuletzt. Doch von Natur aus Blond, hat die Grete eh helle Brauen. Und dann fällt Schokobraun auf den Haaren eben auf. Ja das Boulevardblatt ist sozusagen die "Apotheken Umschau" für den Friseur. Das braucht die Grete nicht. Boulevard hat sie jeden Tag im Büro mit Heidi Seelig und Susi.Dein Kommentar ist mal wieder wunderbar passend formuliert. Vielen Dank.
LöschenLg vonner Grete
Vielen Dank für Deinen Kommentar bei mir, danke fürs Folgen und danke fürs Verlinken! :) Werde in Zukunft auch öfter hier vorbeischauen, bis jetzt siehts sehr interessant aus!
AntwortenLöschenvG