Sonntag, 25. August 2013

Das Fräulein Grete Meier rockt



Das Fräulein Grete Meier rockt



Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. War schon immer so, ist immer so und wird auch immer so bleiben. Das Fräulein Grete Meier streitet wegen sowas also nie. Sie hat ihren eigenen Geschmack, wie das Lieschen, und lebt ihn auch. Manchmal allerdings nur für sich alleine. Nicht weil sie sich dafür schämt. Nein, nur weil eben manchmal keiner da ist, mit dem sie ihn teilen kann. Denkt die Grete.

Na, heute wurde sie dann eines Besseren belehrt.

Sonntags geht die Grete gern auf Flohmärkte. Nein, sie sammelt nichts. Die Zeiten von der Jagd nach Parfümminiaturen, die dann in diversen Glasvitrinen verstauben, sind längst vorbei. Grete mag einfach die nostalgische Atmosphäre, das Bunte und auch manchmal Laute dieser Märkte. Die Grete meidet allerdings jene, auf denen Händler massenweise Rasierklingen, bunte Tücher und Haarschmuck anbieten. Neuware, billiger Kitsch zu natürlich absoluten Sonderpreisen.  Das mag sie nicht. Flohmarkt ist Trödel, alter Tand und Opas Ölgemälde im Eichenrahmen. Grete bummelt dann, und das macht sie wirklich am liebsten alleine, ganz langsam von Stand zu Stand, schaut sich dies an und das, hält manchmal ein Schwätzchen mit dem Besitzer, erfährt so manche krude Geschichte von den Dingen, die dort auf den Tischen liegen, und erfreut sich ansonsten still des Lebens.

Allerdings sind diese, für Grete echten, Flohmärkte rar. So musste sie sich auch heute Morgen, in aller Frühe, in ihr Autochen setzen und eine gute Stunde fahren. Grete genießt solche Sonntagsfahrten. Die Straßen sind noch leer, niemand zeigt ihr den Mittelfinger weil sie nicht schneller als 80 km/h über die Landstraße fährt und niemand sieht was die Grete im Auto so treibt. Grete würde es zwar nichts ausmachen, wenn es jemand sieht, aber so ist es ihr lieber. Grete singt nämlich gerne beim Autofahren. Aus vollem Hals. Und spielt Schlagzeug auf ihrem Lenkrad. Lieblingssender WDR 2 und das volle Kanne. Also laut. So laut es eben geht. Gretes Auto besitzt nämlich nur ein einfaches Radio mit Kassettendeck. Grete mag Musik, vor allem die Musik aus ihrer Jugendzeit. Auch einiges von heute, aber da kennt sie meist nicht mal den Namen der Bands oder Sänger. WDR 2 spielt alles. Altes und neues. Die Grete ist stolz, dass sie meist bei den ersten Klängen eines Songs schon den Titel weiß. Und den Interpreten. Natürlich nur bei den Songs aus ihrer Zeit.

Einmal hat sie die Susi nach Hause gefahren und während der Autofahrt eine Kassette ins Deck geschoben. Die Susi kannte keine Kassetten. Und die Musik schon mal gar nicht. Grete hört nämlich vorwiegend Rockiges. Na jedensfalls mokierte sich die Susi über Led Zeppelin, schüttelte bei "This flight tonight" von Nazareth mit dem Kopf und fragte schlussendlich bei "48 crash" von Suzie Quattro nach, was das denn für Instrumente seien, mit denen die da spielen. "Das liebe Susi, sind E-Gitarren. Live gespielt und nicht so ein Studiomischmasch aus dem Computer, wie man es heute kennt." Grete versuchte es noch mit Sweet, Kiss und Manfred Mann´s Earth Band, stieß weiterhin auf Unverständnis und schaltete den Recorder danach vorsichtshalber aus. Nicht dass die Susi noch denkt, die Grete wäre von einem anderen Stern. Bei Genesis oder Pink Floyd hätte das dann vielleicht passieren können.

Zurück zu heute morgen. Das Radio wummerte, Grete klopfte mit den Fingern auf dem Lenkrad den Takt mit und freute sich an der Musik. Werbung,  Achtuhrnachrichten und dann … dämm, dämm, dämm … Gretes Laune stieg bis in den Himmel. Die ersten Klänge von Golden Earring … dämm, dämm, dämm … Radar Love. Gretes Finger zuckten, der Körper bebte, die rechte Hand löste sich vom Lenkrad. Der Fuß vom Gaspedal. Rote Ampel. Gut so. Endlich mal passend das Rot.  Also Luftgitarre. Das kann die Grete und sogar recht gut. Grün, egal, keiner hinter ihr. Also stehenbleiben und weiter im Takt. Dämm, dämm dämm …  nach der zweiten Rotphase musste die Grete dann aber doch wieder die Hände ans Lenkrad legen und den Fuß auf das Gaspedal, weil irgendeiner hinter ihr hupte. Rechts abbiegen zusammen mit den letzten Tönen. Und dann kam es. Eine Männerstimme aus dem Off des WDR2 Studios. "Das war Radar Love. Und liebe Autofahrer, nun wieder die Luftgitarre weglegen und die Hände an das Lenkrad. Ich hoffe sie standen an einer roten Ampel während sie spielten."
Grete grinste und wusste in diesem Augenblick: Ich bin nicht alleine.



Wie nostalgisch das Lieschen ist, lest ihr hier ---> KLICK

8 Kommentare:

  1. Da ist der Drache aber erstaunt über Fräulein Gretes exquisiten Geschmack:
    Whole lotta Love, Can the Can, Razamanaz, Ballroom Blitz, Detroit Rock City, Davy's on the Road Again, A Trick of the Tail, Brain Damage, und, und, und .......
    Aber dann auch noch Luftgitarre - da ist der Drache ganz aus dem Häuschen. Er spielt nämlich auch, aber eher Luft-E-Bass.

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    1. Herr Drago, es gibt noch vieles was du von der Grete nicht weißt. Die ist nämlich immer für Überraschungen gut.
      Ballroom Blitz - eines ihrer Lieblingssongs.
      Ready drago .. aha
      Gruß vonner Grete

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  2. Fräulein Grete,
    das ist ja noch echter Rock - ich gehe noch etwas weiter vor.
    Mit der heutigen Musik kann ich nicht viel anfangen. Aber manchmal
    - ich gestehe es verschämt ein - höre ich auch die alten Schlager.
    Immer am Vormittag auf SWR4. Das ist der Hausfrauensender - so sagt man.Und dann singe ich lauthals mit. Dabei kann ich überhaupt nicht singen.
    Leider gibt es bei uns keine richtigen Flohmärkte. Nur noch Plunder.
    Übrigens: Luftgitarre kann ich leider nicht. Ih spiele dann Klavier (lach). Mir gefällt es von Tag zu Tag besser bei euch!
    Einen schönen Sonntagabend wünscht Dir
    Irmi

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    1. Hallo Irmi, alte Schlager sind was Feines. Die kann die Grete auch mitsingen. Schief natürlich, aber deshalb nicht mit weniger Spaß.
      Gruß vonner Grete

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  3. Nun hat mich Grete voll erwischt – mit ihren Flohmärkten, ihrem Singen, der Luftgitarre und den Songs, die wohl niemand aus unserer Generation je vergisst.

    Flohmärkte, ja, ich mag sie, aber auch in ihrer nostalgischen Ursprünglichkeit. Man muss, wie Grete schildert, schon suchen. Zum Großteil sind sie zu sehr kommerzialisiert, was weder den Preisen, dem Austausch noch der Atmosphäre gut tut.

    Ich mag immer noch die Marchés aux puces in Paris, wie den Puces de Saint-Quen-Clignancourt, obwohl auch diese viel verloren haben von ihrer Einzigartigkeit.

    Grete setzt sich also ins Auto und da ereilt sie dann eine andere Art von Nostalgie – die der alten Songs.
    Wohl kaum jemand, der diese Zeit miterlebt hat, wird sich dem entziehen können.

    Bei mir kommt gerade „Kiesgruben-Romantik“ als Erinnerung auf. Wir trafen uns in unterschiedlichster Zusammensetzung, machten ein Lagerfeuer, ich spielte Gitarre (nicht Luft....) und wir sangen, all jene Songs, bei denen wir heute noch lautstark im Auto mitträllern.

    Ich bin wohl etwas älter als Grete, meine Anfänge waren bei Elvis, zogen über die Beatles, Stones durch die 70er Jahre bis hin zu Pink Floyd.
    Und Radar Love – wer kann es je vergessen? Ich hatte gerade mein Abi in der Tasche und der Song korrespondierte mit Gefühlen von Freiheit, Sehnsucht und der Gewissheit, alles erreichen zu können.

    Nein, Grete ist keinesfalls allein mit ihrer Luftgitarre und dem als Schlagzeug umfunktionierten Lenkrad.

    Erstaunlicherweise hat diese Musik ja Bestand. Sie lebt (auf) und verschwindet nicht in der Versenkung.
    Meine Töchter mögen sie auch
    Geht es nur mir so, oder scheint auch auf dem musikalischen Sektor heute alles viel flüchtiger, schneller?

    Ich stelle mir gerade Grete im Auto mit ihrer Luftgitarre vor – eine herrliche Momentaufnahme während einer roten Ampelphase.
    Ach Mensch, ich komme ins Schwärmen.
    Ich gönne Grete immer wieder solche Momente, ganz für sich halt, wenn keiner zum Teilen da ist oder niemand, der das versteht.

    Lieschen tut es ja allemal (und ich auch).

    Danke für dieses tolle Erlebnis, das bei mir wunderbare Erinnerungen auslöst beim Lesen.
    (Hänge immer noch einen Tag hinterher....)

    Lg
    Enya

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    1. Liebe Enya, es ist flüchtiger und schneller, das scheint nicht nur so. Die Songs lösen sich gegenseitig schneller ab, als man den Radiosender wechseln kann. Ebenso die Interpreten. Ich habe mir früher noch die Mühe gemacht, die Texte zu übersetzen. Musik reichte nicht, der Song musste auch Inhalt haben. Mache ich immer noch, wenn mir ein Song gefällt. Frag mal die jungen Menschen heute. Kaum jemand weiß so genau was er da hört.
      Vielen Dank an dich.
      Gruß vonner Grete

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